Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
entschlossen wirkte. Bevor er sich mit seinen Räten über den bevorstehenden Feldzug beratschlagte, wollte er noch seiner Gattin seine Aufwartung machen. Rasch und beschwingt verließ er das Gotteshaus durch den Ausgang, der direkt ins Haus des Domdekans führte, und schloss die hölzerne Tür hinter sich. Er wunderte sich, dass der Bewaffnete, der hier stehen sollte, nicht zu sehen war, und blickte sich fragend nach links und rechts um. Sein Blick schweifte durch den verlassenen Flur mit dem steinernen Boden, auf den die schräg einfallenden Strahlen der Morgensonne, die durch die hoch angebrachten Fenster schien, ein unregelmäßiges Muster zeichneten. Heute wird ein schöner Tag, dachte er noch, als ihm plötzlich die Luft wegblieb und das eben noch scharfe Bild vor seinem Auge zu verschwimmen begann. Eine schwere Hand lag auf seinem Mund, während eine andere ein langes Messer tief in seinen Rücken bohrte. Einen Augenblick noch konnte der jugendliche König sich auf den Beinen halten, bis seine Knie schließlich nachgaben und ein Schwall Blut aus seinem Mund schoss. Nicht einmal ein Seufzen hatte er von sich gegeben, bevor er in einer schnell größer werdenden roten Lache seinen letzten Atemzug tat.
Ein Mann in Kutte nickte seinem Begleiter zu. »Jetzt mach schnell, hol ihn her!«
Der andere lief die wenigen Schritte durch die Kapelle und deren zweiten Ausgang in den Innenhof. »Montardier, kommt sofort! Es eilt! Der König!« Louis sprang auf und lief zur Kapelle. Der Mönch ließ ihm den Vortritt und wies auf die andere offen stehende Tür. Louis stürzte durch die Kapelle und wollte auf den Flur treten, als ein harter Gegenstand ihn am Kopf traf. Er stürzte und fiel auf den totenFürsten, den er fast zur Gänze unter sich begrub. Blut besudelte seine Kleider, sein Gesicht und seine Hände. Der Schlag war fest gewesen, doch dosiert und keinesfalls lebensgefährlich. Noch während er sich aufrappelte, hörte er schon die Stimmen. »Mörder! Mörder! Der König! Heilige Mutter Gottes …«, schrien die beiden Mönche durcheinander. Kaum war Ludwig wieder auf den Beinen, blickte er in das Gesicht Beros, der ihn verständnislos anstarrte. »Unseliger! Wie konntet Ihr? Seid Ihr toll geworden? Nun seht mich nicht so an! Flieht, solange Ihr noch könnt!«
Noch ehe Louis etwas erwidern konnte, schob man ihn zurück durch die Kapelle und zerrte ihn durch den Hof, vorbei an dem kurzsichtigen Priester, der die Situation noch nicht erfasst zu haben schien. Zahllose Schritte waren im Haus zu hören, allesamt jedoch noch am anderen Ende des weitläufigen Gebäudes. Louis stolperte aus dem Tor, vorbei an den verdutzten Wachen. Er rannte so schnell er konnte. Er gelangte zu der Herberge und stürzte auf die Pferdekoppel zu. Irgendjemand hatte sein Pferd gesattelt, gezäumt und an den Eingangsbalken der Koppel gebunden. Er dachte nicht darüber nach, warum und wie dies geschehen sein konnte, sondern sprang in den Sattel und sprengte durch das offene Gatter. Er sah sich um, ob die seltsamen Mönche und Bero zu sehen waren, doch konnte er sie nirgendwo ausmachen. Rund um die Kirche strömten Bewaffnete wie Ameisen aus unsichtbaren Löchern heran und rannten in kleinen Trupps suchend durch die Gassen. Louis beschloss, den kürzesten Weg zum nächsten Stadttor zu nehmen und danach auf die Schnelligkeit seines Pferdes zu vertrauen.
Das Tor war bereits in Sichtweite. Die beiden dort postierten Wachen schienen noch nichts von der Aufregung mitbekommen zu haben, wunderten sich jedoch über den wild heransprengenden Reiter, traten vor und richteten ihre Lanzen auf. Nur noch wenige Pferdelängen lagen zwischen Louis und dem offenen Tor. Einer der Soldaten trat ihm entgegen und rief ihm irgendetwas zu, das Louis nicht verstehen konnte. Die Lanze des Mannes berührte beinahe die Brust von Louis' Stute. Panisch sprang das Tier seitwärts und geriet ins Straucheln. Louis klammerte sich am Hals fest, als das Pferd erneut scheute und sich auf die Hinterhand stellte. Der Soldat schrie weiter. Louis wusste, dass er sein Pferd beruhigen musste, bevor er es aus dem Tor lenken konnte, doch fehlte ihm die Zeit dazu, da er bereits den Laufschritt und das Rüstungsscheppern der ihn verfolgenden Bewaffneten hörte. Verzweifelt hielt Ludwig sich im Sattel, und als die Stute mit den Vorderhufen wieder den Boden berührte, hieb er ihr beide Fersen in die Flanken und hoffte und betete, dass das verschreckte Pferd geradewegs durch das Tor
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