Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
anwesenden Mitglieder des Rats waren sehr angetan von Rudolfs großzügiger Geste. Sie hegten die berechtigte Befürchtung, den Feldzug gegen Polen nicht siegreich beenden zu können, und waren für jede Unterstützung dankbar.
»Zum König könnt Ihr heute jedoch nicht, er befindet sich nicht in der Burg«, teilte ihm ein Hofbeamter mit. »Seine Hoheit verbringt den Nachmittag und die Nacht im Gebet, um Gott und die Heiligen um Unterstützung zu bitten. Der Domdekan hat ihm eine Kapelle zur Verfügung gestellt, in der er alleine meditiert. Es ist uns bei Strafe untersagt, ihn zu stören. Gern würden wir Euch Quartier auf der Burg anbieten, doch ist nicht die kleinste Kammer frei. Alle Mitglieder des Hofes und zahlreiche Ritter des Königs wollen unbedingt hier in des Königs Nähe nächtigen. Die Burg Olmütz ist nicht auf die Vorbereitung eines Feldzuges und eine so große Zahl von Besuchern eingerichtet«, sagte der Mann entschuldigend.
»Das soll mich nicht weiters kümmern. Ich werde schon eine Herberge finden. Sagt, wo finde ich das Haus des Domdekans?«
»Das ist einfach: Neben der großen Bischofskirche stehen nur der Bischofspalast und eben dieses Haus. Zwei Bewaffnete stehen vor dem Tor und das königliche Banner weht vom Dach. Ihr könnt es nicht verfehlen. Macht dem König morgen Eure Aufwartung, ich sorge dafür, dass er selbst oder zumindest ein Sekretär vorab Nachricht erhält. Es ist frohe Kunde, die Ihr bringt, er wird sehr glücklich darüber sein.«
Louis suchte und fand ein Quartier, in dem er sogar eine einzelne Kammer beziehen konnte. Sein Auftrag hatte ihn in eine heitere und euphorische Stimmung versetzt, und er genehmigte sich einige Becher des einfachen Weins, der in der Wirtsstube seiner Herberge ausgeschenkt wurde. Er war nicht betrunken, doch hatte sich seine ohnehin schon gelöste Stimmung durch den Alkohol nochmals aufgehellt und seine angeborene Wachsamkeit hatte etwas nachgelassen. Vielleicht waren die drei Männer in den Mönchskutten und den tief in die Gesichter gezogenen Kapuzen, die sich ein einfaches Mahl und einen Krug billigen dünnen Bieres teilten, auch zu gut verkleidet, als dass er Verdacht hätte schöpfen können. Einer von ihnen verließ die Schankstube ohnedies bald, die beiden anderen jedoch verwickelten ihn in ein Gespräch. Er teilte ihnen nicht mit, dass er in königlichem Auftrag unterwegs war, sondern lediglich, dass er am kommenden Vormittag das Haus des Domdekans aufzusuchen hatte. Die beiden vermummten Männer nickten anerkennend, als sie von der noblen Adresse erfuhren.
Ludwig war bereits kurz nach Morgengrauen auf den Beinen, und der blaue Himmel versprach einen strahlenden Augusttag.
»Ihr hier?«, fragte er verwundert, als er einen der Mönche vor dem Eingang des Hauses offensichtlich warten sah.
»Unser Abt, den ihr gestern nur kurz saht, hat eine Nachricht an das Domkapitel zu überbringen. Er und unser dritter Bruder werden in der Halle empfangen und gewiss vornehm verköstigt. Ich bin der Niedrigste von uns, mich lässt man hier stehen.«
Louis trat auf das Tor zu. Er wies das königliche Schreiben vor, und eine der Wachen ließ einen geistlichen Herrn aus dem Haus rufen. Der schon alte und reichlich buckelige Mann beugte sich stirnrunzelnd über das Siegel und studierte es lange. Er musste schrecklich kurzsichtig sein, da er das Pergament fast an die Nase drücken musste.
»Kommt«, sagte er schließlich und schlurfte vor Ludwig durch einen langen Gang und schließlich in einen Innenhof, an dessen anderer Seite er den Eingang der Kapelle sah. »Der König wird seine Andacht bald beendet haben. Ihr werdet dann sogleich zu ihm geführt, wartet hier.« Er wies auf eine steinerne Bank, die einen Blick über den Innenhof und einen gepflegten Garten bot.
Der junge König lag vor dem Altar, hatte die Stirn auf den Boden gepresst und murmelte ein letztes Gebet, bevor er sich erhob und die steifen Glieder bewegte. Seine langen und inbrünstigen Gebete mussten Gott und die Heiligen erhört haben, und er gelobte im Stillen, dem Bischof im Fall seines Sieges einen erklecklichen Betrag zukommen zu lassen, der den ins Stocken geratenen Bau des Olmützer Domes beschleunigen sollte.
Wenzel war ein tatendurstiger Jüngling, der gern Pläne schmiedete und darauf brannte, sie schnellstmöglich umzusetzen. Er war schlank und sehnig, mit braunem Haar und einem hübschen Gesicht, das nach dem anstrengenden Gebet zwar etwas ermüdet, aber dennoch
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