Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
den Ländern des Nordens. Ditgurd hatte sogar schon welche gebracht, die von noch weiter her, angeblich aus Afrika, gekommen waren und bisher nicht gekannte Farben und Muster zeigten, doch konnte deren Güte sich nicht mit der der dichtbehaarten Häute aus den kalten Gegenden messen. Obwohl es erst Mitte August war, freute Franziska sich schon auf das Geschäft im Herbst und im Winter. An die beiden Männer, die ihr das Herz gebrochen hatten, dachte sie so wenig wie möglich.
Sie besprach gerade mit Trudbert den aufwändigen Mantel für einen Patrizier, der sein Meisterstück werden sollte. Ein edles Kleidungsstück aus feinster englischer Wolle, glattem, weichem Leder und dem Fell mehrerer Otter, das weich und geschmeidig war und dezent glänzte. Die Knöpfe und die Kette, die den Mantel am Hals schlossen, waren aus schwerem Silber, fein ziseliert und mit dem Wappen der Familie verziert. Sie wusste, dass der Adoptivsohn auf jeden Fall kunstfertig und geschickt genug war, den Mantel alleine zu fertigen, einzige Ausnahme waren die Kürschnerarbeiten, doch würde die Meisterschaft diese selbstverständlich als handwerksfremd und somit als Zulieferarbeit einstufen. Nach Abnahme des Werks musste er ein Festessen für die Zunft geben und Liegenschaftseigentum oder die finanziellen Mittel für den Erwerb eines Hauses nachweisen, dann würde man ihn in die Meisterrolle eintragen, und er könnte Franziskas Geschäft offiziell führen.
Franziska fühlte sich mit ihren nunmehr vierundzwanzig Jahren zwar noch jung, doch sie wusste nicht, wie lange sie die Schneiderkunst mit eigenen Händen noch würde ausüben können. Sie nähte selbst zwar nie lange am Stück, aber es waren doch jeden Tag mehrere Stunden, die sie mit Nadel und Faden hantierte. Bis zu welchem Alter würden die Augen das mitmachen? Bis dreißig? Bis vierzig? Länger wohl kaum. Viele Frauen erreichten dieses Alter ohnedies nicht, da sie meist jung vermählt wurden und die häufigen Schwangerschaften an ihren Kräften zehrten. Sie kannte Frauen in ihrem Alter, die bereits graues Haar und nur noch wenige Zähne im Mund hatten. Mit nur einem Kind, ohne fordernden Mann und vor allen Dingen ausreichend finanziellen Mitteln hatte sie gute Chancen, ein höheres Alter zu erreichen, ihre Tochter heranwachsen zu sehen und sich, so Gott es wollte, eines Tages an Enkeln zu erfreuen. Doch die wichtigen Dinge des Lebens, wie die Schneiderei, die gehörten den jungen Leuten, war sie überzeugt, und der Plan, die Werkstatt in den nächsten Jahren schrittweise an Trudbert zu übergeben, erschien ihr vernünftig. Er war handwerklich geschickt, wendig im Geiste, aber auch gewitzt genug, um in diesem Beruf erfolgreich zu sein. Außerdem hatte er auf seinen Reisen viel von Chalil und Ditgurd gelernt, das ihm auf seinem Lebensweg helfen würde.
Sie überließ den jungen Mann seiner Arbeit, um nach Katharina zu sehen, für die es langsam Zeit zum Mittagessen wurde, als Chalil zu Pferd in den Hof sprengte.
NÜRNBERG August 1306
»Komm sofort mit. Wir müssen zu Meynhard, etwas Fürchterliches ist geschehen!« Chalil stürzte atemlos in die Werkstatt. Er war erhitzt und verschwitzt und offensichtlich nur nach Nürnberg geritten, um sie zu holen. Er klang so entschlossen, dass sie nicht zu widersprechen wagte. Sie rief nach Giso, ihrem Rossknecht, der ihren Wagen fertig machte, und versprach Chalil, sofort auf das Gut zu kommen, sobald sie ihre Tochter versorgt habe.
Der Prinz hatte schon längst wieder kehrtgemacht, als sie sich endlich mit Katharina und in Begleitung ihres Knechts auf den Weg machte.
Marie war in Tränen aufgelöst. Elsbeth, Meynhard und Chalil versuchten, sie zu beruhigen, doch zu groß schien ihre Erschütterung. Die Gesichter der drei Freunde waren ernst.
»Was ist denn geschehen?«, fragte Franziska und sah irritiert von einem zum anderen.
»Es ist wegen Louis«, sagte Chalil schließlich. »Oder Ludwig, wie du immer zu ihm sagtest.« Er legte wieder den Arm um Marie, die nun von Elsbeth gestützt wurde.
Franziska wurde kreidebleich. Sie sah auf ihre Tochter. »Was ist mit ihm … ist er …«
»Nein. Tot ist er Gottlob nicht. Aber so etwas Ähnliches«, sagte Meynhard schließlich mit finsterer Miene.
»Was weißt du denn über sein Schicksal, seit eurem Abschied in Wien?«, fragte Chalil Franziska vorsichtig.
»Ich habe keine Nachricht mehr von ihm erhalten, seit er nach Frankreich gereist ist«, sagte Franziska.
»Nach dem Tod
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