Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Europäer schlichtweg zu heiß waren. Die nun herrschenden Temperaturen entsprachen denen des europäischen Frühsommers und waren für vollständig gerüstete Ritter und deren Truppen somit ideal.
Auf Anraten Henris hielt an-Nasir sich so wenig wie möglich bei Louis und den Truppen auf, sondern verständigte sich lieber über ausgewählte Mittelsmänner mit ihnen. Trotzdem hatten die Emire rasch von der Aufrüstung Wind bekommen, doch setzte an-Nasir seine neue Kampfkraft zunächst nur ein, um lästige Angreifer an den asiatischen Grenzen seines Reiches abzuwehren oder Aufständische in die Schranken zu verweisen. Er teilte seine Truppen geschickt in kleinere Haufen auf, sodass die tatsächliche Schlagkraft seiner Privatarmee verborgen blieb.
In langen Nächten hatte an-Nasir mit Louis und Henri über die beste Methode der Machtergreifung debattiert, und schließlich hatten sie sich darauf geeinigt, Kairo in einem Handstreich von innen einzunehmen. Ein Teil seiner einheimischen Soldaten und einige wenige Ordensritter sollten als Zivilisten verkleidet in die Stadt gelangen und schließlich in einer Blitzaktion Palast und Festung einnehmen. Gleichzeitig sollten die übrigen Truppen, Reiterverbände wie Fußsoldaten, undurchdringliche Belagerungsringe um die außerhalb der Stadt stationierten Einheiten der Regierungstruppen legen. Im Idealfall würden sie überhaupt nicht gegen die Armee der Emire kämpfen müssen, sobald die Machtübernahme vollzogen war.
Was mit den Emiren geschehen sollte, war noch nicht entschieden und hing von ihrem Verhalten nach dem Putsch ab. Immerhin waren sie Edelleute und mit ihrer Bildung und Erfahrung die Elite Ägyptens. Keinesfalls würde an-Nasir sie im Siegesrausch töten lassen, sondern ihnen ein zurückgezogenes Leben auf ihren Gütern und vielleicht auch Zugang zu einzelnen Ämtern ermöglichen, solange sie nicht danach trachteten, ihm seinen Thronanspruch streitig zu machen.
Zwei Wochen nach Beginn des neuen Jahres setzten sie ihren Plan in die Tat um. Henri und einige andere Männer hatten sich als Diener verkleidet, die geschäftig durch den Regierungspalast eilten. Der Großteil der schwer bewaffneten Palastwache befand sich außerhalb des Gebäudes, um dieses vor Angriffen zu schützen. Henri und seine bereits im Inneren lauernden Männer hatten nur wenige Wachen zu überwältigen und konnten die vier anwesenden Emire mit Leichtigkeit gefangen nehmen, während eine Schar von scheinbar harmlosen Händlern sich vor den Palasttoren flugs in gerüstete Kämpfer verwandelte und den Hauptteil der diensthabenden Palastwache in Schach hielt, deren nahe gelegene Kaserne von Sultanstruppen gestürmt wurde. Dem Hauptmann der Wache wurde schon wenige Augenblicke später durch eine Nachricht der Emire die Kapitulation befohlen. Boten wurden entsandt, die den Heeresverbänden mitteilten, dass sie ab sofort dem Oberfehl des Sultans unterstanden und sich der Befehlsgewalt seines Generals Montardier zu unterwerfen hatten.
In kürzester Zeit, unter geringer militärischer Gegenwehr und mit wenig Blutzoll, hatte der rechtmäßige Sultan so seinen ererbten Regierungsanspruch nach all den Jahren der Unterdrückung endlich durchgesetzt. Mohammed an-Nasir, Nachkomme des großen Qalawun, war ab sofort Herrscher von Ägypten.
NÜRNBERG Weihnachten 1307
Katharina wurde unruhig. Schon längst hätte Maries Kind das Licht der Welt erblicken müssen. Schließlich war es so weit. Die resolute Ordensfrau erschien mit ihrer Helferin, einem stillen jungen Mädchen mit flinken Augen und geschickten Händen, in Franziskas Haus. Katharina fand es unerhört, dass sie aus dem Geburtszimmer gescheucht wurde.
Sie hörte Marie vor Schmerzen schreien. Immer wieder kam die Gehilfin der Hebamme, um frisches Wasser, das eine Magd laufend in der Küche erhitzte, saubere Tücher und dann noch einen Krug heißen Weins, der stark nach Kräutern roch, zu holen. Katharina verhielt sich still, um nicht am Ende auch noch aus der Stube verbannt zu werden. Chalil befand sich einstweilen bei Trudbert in der Werkstatt und lief unruhig auf und ab.
Irgendwann hörte Katharina die werdende Mutter nicht mehr. Sie schlich zur Tür, um genauer zu lauschen. Plötzlichhörte sie einen einzigen langen, lauten und hellen Schrei. Sie erschrak und sprang einen Schritt zurück, als sich die Tür erneut öffnete und die junge Ordensfrau wieder Richtung Küche marschierte. Vorsichtig spähte Katharina in das Zimmer. Viel konnte sie
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