Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
nicht sehen, nur, dass das blonde Haar Maries völlig durchnässt war, sie aber dennoch glücklich lächelte und ein in Leinentücher gewickeltes Bündel auf dem Bauch hielt. Die Hebamme machte sich noch irgendwie an den Beinen der jungen Mutter zu schaffen, doch das kümmerte Katharina nicht weiter. Das Bündel, das sich zu bewegen schien, war viel interessanter. Schließlich begegnete sie Maries Blick. Die Tante lächelte sie an und winkte sie zu sich. Vorsichtig trat sie näher.
*
Johann von Schwaben war ein wahrer Vertreter der Familie Habsburg. Nicht nur sein Äußeres mit der hohen Gestalt, dem hageren Gesicht und der scharfen Nase ähnelte dem seines Onkels Albrecht, auch die Geltungssucht und das Erfolgsstreben waren ihm mit in die Wiege gelegt worden. Seit er als ganz junger Mann die Zusammenhänge um das verringerte väterliche Erbe begriffen hatte, war es sein Ziel, mindestens ebenso bedeutend und reich wie die Söhne Albrechts zu werden. Hunger nach Macht und Unzufriedenheit mit dem, was er besaß, beseelten ihn, und so war er empfänglich für jeden Plan, der ihn aus seinem unbedeutenden Dasein als Landedelmann in das Zentrum von Politik und Einfluss heben würde. Bero erinnerte er in gewisser Weise an Rudolf, Albrechts Sohn. Auch Johann hatte bei weitem nicht die Stärke und die Weitsicht Albrechts, doch sah er sich einerKönigskrone würdig, am besten gleich der Reichskrone. Ebenso wie Rudolf hatte er eine mürrische und bisweilen abweisende Art, die kaum dazu dienlich war, Freundschaften aufzubauen. Die Skrupellosigkeit und Verschlagenheit, mit der sie ihre Ziele verfolgten, war den beiden Vettern gleichermaßen in die Wiege gelegt, doch bei allen Ähnlichkeiten gab es auch bedeutende Unterschiede zwischen ihnen: Im Gegensatz zum verstorbenen Rudolf war Johann flink und wach im Geist, von bisweilen aufwallender Heißblütigkeit und vor allem schlagkräftig und mutig.
Es hatte sich unter den unzufriedenen süddeutschen Rittern rasch herumgesprochen, dass Johann den Plan gefasst hatte, Albrecht herauszufordern. Einige hatten sich mit ihren Männern bereits um ihn geschart, ihm ihr Schwert angeboten und Treue geschworen. Allen versprach er bessere Lehen und hohe Ämter, falls es ihm gelänge, die Krone zu erlangen.
Bero hielt sich schon seit einigen Monaten in Johanns Nähe auf. Er hatte Restwangen verlassen, um nach finanzieller Unterstützung zu suchen, und Johann schien ihm der geeignete Mann. Johann brauchte jemanden wie Bero, der Albrecht kannte und an seinem Hof gelebt hatte. Bero überzeugte ihn rasch davon, dass es sinnlos war, gegen den König zu Felde zu ziehen. Albrecht hatte in letzter Zeit zwar die eine oder andere Schlacht verloren, aber in keinem dieser Konflikte war seine Herrschaft als solche in Gefahr gewesen. Einen alten Wolf wie Albrecht konnte man nicht in offenem Kampf besiegen. Nur eine List könnte Johann helfen, sich von seinem Onkel zu befreien.
VENEDIG April 1308
An-Nasir hatte darauf bestanden, dass Louis und Henri auf ihrer Reise nach Europa wenigstens die Ordensritter als Eskorte mitnahmen, und nach einigem Widerstand hatten Vater und Sohn nachgegeben und den Transport der Männer und ihres Gefolges nebst Waffen und Pferden organisiert. Lediglich die Mitglieder des Templerordens hatten ersucht, im Dienst des Sultans bleiben und neue Identitäten annehmen zu dürfen. Die schreckliche Kunde von der Verhaftung und Ermordung so gut wie aller ihrer Brüder durch den König von Frankreich im vergangenen Oktober hatte sich rasch bis Ägypten verbreitet.
Die Reisenden hatten Glück. Die Winterstürme waren in jenem Jahr nicht besonders stark, sodass die Überfahrt nach Italien ohne große Gefahren gelang. Henri hatte Louis empfohlen, dem König die Nachricht über die Thronübernahme an-Nasirs persönlich zu überbringen und die Gelegenheit zu nutzen, auch offiziell um die Aufhebung der Acht und die Wiedereinsetzung in alle seine Rechte zu bitten. Zwar verließen sich die Männer auf Chalils Nachricht, doch war eine königliche Geste bislang nicht erfolgt und ein entsprechendes Dokument noch nicht ausgefertigt.
Sie führten einen Kreditbrief des Sultans mit sich, der von einem venezianischen Bankier gegen Gold und Silber getauscht wurde. Sie erfuhren, dass Albrecht sich in der Gegend um Winterthur, ganz in der Nähe der Habsburger Stammburg, aufhielt und dort bis in den Mai zu bleiben gedachte. Louis freute sich darauf, abermals den Brenner zu überqueren, Hermann und
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