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Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Siegel
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Franziska ihm mitteilte, dass sie Katharina mitnehmen würde. Franziska verfügte zwar über zwei gute Wagen, doch waren diese für ihr Vorhaben beide nicht geeignet. Der eine war ihr Lieferwagen, mit dem der Rossknecht oder manchmal auch Trudbert oder sie selbst zwischen Schneiderei und Manufaktur pendelten, ein schweres und solides Fahrzeug, ausgelegt für große Lasten und von zwei Kaltblütern gezogen. Das Gefährt war viel zu schwerfällig und zu langsam. Der zweite war ein Einspänner, eine leichte Damenkutsche, die zwei Personen und ein wenig Gepäck Platz bot. Gern hätte Franziska die Strecke damit zurückgelegt, doch mit Katharina als drittem Passagier war das unmöglich.
    Nachdem Meynhard von Franziskas Reiseplänen erfahren hatte, bestand er darauf, dass sie und Katharina seinen vornehmen Reisewagen benutzten. Erst vor ganz kurzer Zeit waren vergleichbare Modelle aufgekommen. Der Wagen konnte gänzlich geschlossen werden, um im Winter die Kälte auszusperren, oder durch Entfernen der Seitenwände als offene Kusche dienen, deren Dach jedoch vor Sonne und Regen schützte. Schwere wollene Vorhänge konnten darüber hinaus die Seitenwände ersetzen. Der wertvolle Wagen war zwei- oder vierspännig zu fahren, und Gisos Augen leuchteten, als der Graf ihm seine vier prachtvollen Kutschpferde anvertraute. Franziska musste versprechen, nie die großen Handelsstraßen zu verlassen und vor Sonnenuntergang eine Herberge aufzusuchen, ansonsten hätte er darauf bestanden, ihr mindestens noch zwei bewaffnete Begleiter mitzugeben.
 
    Die Reise führte zunächst westwärts. Am dritten Tag wandten sie sich nach Süden, überquerten die Mittelgebirge undnäherten sich schließlich den Alpen. Franziska und Katharina staunten. Bisher hatten sie nur bewaldete Hügel gekannt und noch nie die unwirklich erscheinende Bergwelt gesehen. So bedrohlich und gefährlich die schroffen Felsen, kahlen Gipfel und steilen Wände auch wirkten, übten sie doch eine eigenartige Faszination auf sie aus, ebenso wie die reißenden und schäumenden Bäche und Flüsse, die so anders als die Gewässer Böhmens aussahen, an die sie sich erinnerte.
    Franziska erzählte ihrer Tochter während der Reise alles, was sie über die Montardiers wusste. Marie hatte ihr in den Jahren ihrer Freundschaft vieles über ihre Familie, deren Vergangenheit und Schicksal mitgeteilt. Katharina stellte Fragen über Fragen, die Franziska alle geduldig beantwortete. Zum Glück fragt sie mich nicht, warum ich ihr all das erzähle, dachte Franziska mehr als einmal.
    Von all den Geschichten fand Katharina die über die gefährlichen Geschehnisse, die Chalil in die Familie gebracht hatten, am spannendsten, und wieder und wieder musste Franziska schildern, wie betrunkene Söldner durch Akkon gezogen waren und blindwütig unter der islamischen Bevölkerung gewütet hatten. Chalil und sein Freund Louis hatten Schutz im Haus von Chalils Mutter gesucht und waren dort Zeugen ihrer Ermordung geworden. Als einer der Söldner nach Louis schlug, sprang Chalil dazwischen und wurde schwer am Arm verwundet. Louis trug ihn zu sich nach Hause. Ein Feldscher konnte zwar das Leben, aber nicht die Hand des Jungen retten, der ab diesem Tag wie ein eigener Sohn in der Familie lebte.
    Durch das gleichmäßige Schaukeln des Wagens war Katharina eingeschlummert, und ihr Köpfchen ruhte auf dem Schoß der Mutter.
    Franziska selbst dachte fast ununterbrochen an Louis, an all das Schlimme, das ihm widerfahren war, und die Gefahren, in denen er in den letzten Jahren geschwebt hatte. Wie viel leichter war es ihr selbst dagegen ergangen! Mit Ausnahme ihres Herzeleids hatte sie doch fast immer Glück im Leben gehabt. Stets waren Freunde an ihrer Seite gewesen, die ihr geholfen und es ihr ermöglicht hatten, ihr Talent und ihr Geschick auszuleben und zu einer erfolgreichen, unabhängigen und wohlhabenden Frau zu werden. Am dankbarsten war sie ihrem Schicksal jedoch dafür, dass es ihr die Liebe zu ihrer Tochter und zu Louis geschenkt hatte und dass die Widerwärtigkeiten, die sie erlebt hatte, aus ihrem Herzen keine Mördergrube gemacht haben. Sie hatte einen Widersacher, der ihr, ihren Eltern und ihrem Geliebten unverzeihliches Leid angetan hatte, jedoch verzehrte sie sich nicht in Rache und Hass ihm gegenüber. Bero von Restwangen würde irgendwann seine verdiente Strafe bekommen, und wenn nicht in diesem Leben, so würde er wie jeder Mensch eines Tages vor seinem himmlischen Richter stehen.
 
    Meynhard

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