Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Idee des Königreiches Jerusalem klammert Habsburg sich an einen Strohhalm, oder meinst du, an-Nasir gibt es ihm wirklich?«
»Wegen einer Handvoll Soldaten und ein paar Kisten Silber? Mein Vetter ist klug, vergiss das nicht. Er wird die Macht übernehmen, sich bei allen Helfern artig bedanken, sein Reich durch den Handel erblühen lassen und des Weiteren alle europäischen Könige schön lange hinhalten und wenn nötig gegeneinander ausspielen. Er weiß doch genau, dass nach den schlechten Erfahrungen aus den Kreuzzügen niemand mehr den Aufwand fahren würde, auch nur zu versuchen, ihm Palästina zu entreißen. Und warum sollte er es verschenken?«
»Nur Albrecht scheint das noch nicht zu durchschauen und sein schmollender Neffe ebenso wenig. Ich bleibe bei meiner Meinung: Falls der Reichskönig noch zehn Jahre herrscht, kann er die Krone für Habsburg retten, wenn nicht, kommen andere, und man wird sehen, mit wem die sich verbünden werden. Ich denke, das Reich ist mit Albrecht nicht schlecht gefahren, in der Vergangenheit gab es üblere Herrscher. Natürlich zehren die vielen kleinen Schlachten an der Substanz des Landes, doch hat er es geschafft, Deutschland aus größeren zwischenstaatlichen Konflikten herauszuhalten.«
Chalil nickte.
»Doch sprich, mein Freund«, ergriff Meynhard wieder das Wort. »Wie sind eure Pläne?«
Chalil schmunzelte. »Marie weiß es noch nicht. Es soll eine Überraschung werden. An-Nasir will, dass ich nach seiner Machtergreifung den Handel zwischen seinem Reich und den europäischen Landen koordiniere. Das heißt Lizenzen vergeben, Zölle festlegen, Beziehungen knüpfen …«
»Also all das, was du am besten kannst. Die Gefahr der Verarmung besteht dabei wohl nicht, will mir scheinen.«
»Wir werden schon durchkommen. Wir müssen zum Glück auch nicht in Ägypten leben. Im Sommer ist es dort zu heiß. Wahrscheinlich werden wir auf Zypern wohnen. Venedig hat mir allerdings auch sehr gefallen, vor allem die Banken. Ich denke, ich werde die Frau Gemahlin dabei ein Wörtchen mitreden lassen, sonst kratzen mir Franziska und Elsbeth ohnehin die Augen aus.«
Meynhard lachte kurz auf und nahm noch einen tiefen Schluck aus seinem Kelch. »Und wie siehst du die Sache mit Ludwig? Und … mit Franziska?«
Chalil seufzte kurz auf. »Marie meint, Franziska ist unverbesserlich. Sie liebt ihn noch immer genauso wie vor zehn Jahren, will es aber nicht zugeben. Wann immer die Sprache zufällig auf ihn kommt, muss sie ganz dringend ins Geschäft oder zu ihrer Tochter oder hat sonst irgendetwas Wichtigeszu tun. Ich weiß nicht, ob sie es ihm leicht machen wird, wenn er wieder auf ihrer Schwelle steht.«
»Wird er das denn?«
»Na, du stellst Fragen! Er sieht andere Frauen nicht einmal an. Er verzehrt sich geradezu nach ihr und seiner Tochter. Ich habe ihn auch so weit gebracht zu erwägen, nicht mehr mit dem Schwert in der Faust durch die Lande zu ziehen, sondern lieber mit mir gemeinsam der Diplomatie und dem Handel zu frönen.«
»Und sein Vater?«
»Der hat ihm gesagt, er soll seinem Herzen folgen. Alles andere sei wertloser Tand.«
KAIRO Winter 1307
Seit Louis die guten Nachrichten erhalten hatte, fühlte er sich stärker als je zuvor. Endlich war er wieder ein vollwertiger Edelmann und nicht mehr Flüchtling und Verstoßener. Mit noch größerem Eifer stürzte er sich in die ihm übertragenen Aufgaben. An-Nasir hatte ihn zu seinem alleinigen Heerführer ernannt, und seine Truppen waren im Verlauf des Jahres nicht nur angewachsen, sondern auch zu akribisch aufeinander eingespielten Verbänden disziplinierter Kämpfer geworden. Auf Anraten Henris hatte er ihnen ihre gewohnten Waffen wie gekrümmte Schwerter, Lanzen und Bogen belassen, sie aber auch im Umgang mit Armbrust, Morgenstern und Streitaxt geschult. Er befehligte eine blitzschnelle, mit kurzen Bogen bewaffnete Reiterei auf wendigen, kleinen Pferden sowie eine Kompanie Berittener nacheuropäischer Manier, der auch die angeworbenen Johanniter, Deutschordensritter und Templer angehörten. Sämtliche Reiter, einschließlich seiner selbst, hatten höchsten Ehrgeiz und große Freude entwickelt, gemeinsam zu trainieren und voneinander zu lernen. Im Lauf der Monate hatte sich eine verwegene Kameradschaft zwischen muslimischen und christlichen Kämpfern entwickelt.
Henri und Louis hatten darauf bestanden, den Schwerpunkt der Ausbildung und den Putsch in die Herbst- und Wintermonate zu legen, da Frühling und Sommer für die
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