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Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Siegel
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des einzelnen Waffenknechts schon lange, bevor er um die Ecke des Hauses schlich. Anhand seiner Silhouette konnte er die Sitzposition des Mannes genau abschätzen, und es waren nur ein Sprung und ein kurzer, gezielter Stoß nötig, um den Mann zusammensinken zu lassen. Bero zog ihn leise ins Innere des Gebäudes und ließ ihn achtlos neben der Haustür liegen. Lautlos schlich er die Treppe empor. Schon sah er die Tür zu Franziskas Zimmer vor sich, die zu seiner Freude sogar geöffnet war. Wahrscheinlich wollte man hören, ob sich am Eingang oder auf der Straße etwas tat, mutmaßte er.
    Er blieb stehen. Auf einem Stuhl sitzend sah er tatsächlich den Oberkörper dieses Rochus, dieser Witzfigur, sah auch, dass der Mann den Schwertgurt nicht umgeschnallt hatte und auch keine Waffe in der Hand hielt. Von Franziska sah er nichts, auch nicht, ob sich sonst noch jemand in dem Raum befand. Da er nur zwei Reitpferde auf dem Gelände gesehen hatte, rechnete er jedoch nicht damit, dass noch ein weiterer Wächter Franziska beschützen würde.
 
    Mit erhobener Klinge stürzte er in das Zimmer und hörte die Stimme der Frau angstvoll aufkreischen. Ihr Beschützerwollte nach dem Schwert greifen, das in seiner Reichweite an einem Stuhl lehnte, doch Bero war zu schnell für ihn. Der erste Hieb seiner Klinge schnitt tief in Rochus' Schulter, direkt neben dem Hals, und der Mann stürzte mitsamt seinem Stuhl zur Seite. Mit den Worten »Und jetzt stirb, Onkel!«, stieß der Mörder sein Schwert dann in Rochus' Herz.
    »Nun zu dir, Weibsstück!«, wandte er sich der fassungslosen Franziska zu, die in eine Ecke des Zimmers zurückgewichen war. Hätte es Sinn, zur Tür zu springen und die Flucht zu wagen? Sie wusste, wenn es sein musste, konnte sie schnell laufen, bestimmt schneller als der Hinkende, doch vielleicht hatte er Verstärkung, die draußen auf ihn wartete? Und außerdem – wer außer Bero konnte sie zu Katharina bringen? Resigniert blieb sie stehen und starrte das Ungeheuer an.
    »Du willst doch sicher zu deiner Tochter, nicht wahr?«, stieß Bero hervor.
    »Katharina … ist sie …«
    »Keine Angst, sie ist am Leben und unversehrt. Willst du zu ihr?«
    Franziska wusste, dass ihr keine andere Möglichkeit blieb, als zu tun, was er wollte. Gehorsam nickte sie.
    »Gut. Fahren wir zu ihr. Komm!«
    Bero hatte sein Schwert in die Scheide geschoben und einen Dolch aus seinem Stiefel hervorgeholt, dessen Spitze er leicht in Franziskas Seite bohrte – so schob er sie vor sich her.
    Sie bestiegen den auffälligen Wagen des Grafen, an den Bero sein Pferd gebunden hatte und fuhren aus dem Dorf. Franziska wusste nicht, ob sie sich beruhigen oder sorgensollte, als ihr auffiel, dass Bero nicht einmal den Versuch unternahm, von anderen Leuten nicht gesehen oder erkannt zu werden, und auch den Riemen nicht verdeckte, mit dem er ihre Handgelenke gefesselt hatte.
 
    Die Bäuerin von unbestimmbarem Alter, eine magere und abgearbeitete Frau, deren Mann im Winter gestorben war und die damit rechnen musste, dass man andere, jüngere Leibeigene auf ihre Scholle setzte und sie im Höchstfall als Magd oder im Ausgedinge den Rest ihres Lebens fristen durfte, war von dem Bewaffneten, der sie am Vortag erpresst hatte, völlig eingeschüchtert gewesen und hatte die zwei Silberstücke, die man ihr auf den wackeligen Tisch gelegt hatte, nicht einmal zur Kenntnis genommen. Sie wusste, dass sie an etwas Verbotenem mitwirkte, als man ihr das in einen Sack gewickelte Kind überreichte, das sie bewachen sollte. Die Männer wollten die Kleine zunächst im Stall verstecken, doch der war zu eng und zu wackelig, also hatte man ihr befohlen, das Mädchen mit in die Hütte zu nehmen und dort auf sie achtzugeben. Sie hatte den Sack entfernt und dafür gesorgt, dass die Kleine, die das Kind einer feinen Familie sein musste, wie sie an der kostbaren Kleidung und den guten Schuhen erkannte, keinen Schaden nahm. Den Knebel hatte sie ihr aus dem Mund gezogen, einen Teil der Fesseln gelöst und die übrigen nicht fester als unbedingt nötig gezurrt. Trotzdem hatte das Kind stundenlang geschluchzt und geheult, bis es schließlich entkräftet eingeschlafen war. Heute war die Kleine in tiefe Traurigkeit verfallen und hatte bisher noch keinen Laut von sich gegeben. Die Bäuerin war voller Angst vor Strafe und Sorge um das Mädchen, das für sie aussah wie ein kleiner Engel, doch noch mehr fürchtete sie sich vor diesen Männern, die sie als Mitwisserin bestimmt nicht

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