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Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Siegel
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liegenden Öffnung. »Hermanns Notgroschen«, sagte sie und reichte Franziska die schwere Last. »Ich hatte von Gerhards geheimem Versteck erzählt. Hermann gefiel die Idee. Nun geht in unser Haus. Ins Stofflager, du kennst die Stelle. Näht alle Münzen in eure Kleider.«
    Die Mädchen schluckten und nickten. »Und Ihr?«, fragte Maria, »kommt Ihr nicht mit?«
    »Ich bin zu schwach. Geht und tut, was ich euch gesagt habe.«
    Die Mädchen stiegen die Treppe nach oben und machten sich auf den Weg zu Neles Haus. Im Licht einer Laterne fand Franziska die Stelle, in der geschützt vor Dieben, Feuer und jetzt auch vor den Augen der Obrigkeit einige kleine Beutel mit Goldmünzen versteckt waren. Sie würden sie brauchen. Sie wagten es zwar noch nicht auszusprechen, aber sie würden Budweis wohl schon bald verlassen müssen.
 
    Bereits am nächsten Nachmittag kamen der Vogt und der Stadtschreiber und konfiszierten den Besitz Hermanns einschließlich der von Nele eingebrachten Güter. Eine Truhe mit Kleidern und persönlichen Gegenständen wurde ihnengroßzügig überlassen, dann verwies man die Frauen des Hofes.
 
    Franziska suchte, wie von Hermann beauftragt, Zacharias auf. Der alte Geldverleiher vermittelte den Frauen eine Unterkunft im Haus einer benachbarten Witwe und entlohnte diese auch im Voraus. Er sandte einen Boten nach Restwangen, um auf eigene Rechnung und selbstverständlich gegen Barzahlung einen Wagen und zwei kräftige Gäule aus Hermanns Besitz zu erwerben. Er bot einen guten Preis und der Burgherr stimmte sofort zu.
 
    Neles anfängliche Ohnmacht war Entschlossenheit gewichen. Sie hatte schon jung gelernt, den bösen Seiten des Lebens die Stirn zu bieten, jede Chance zu nutzen und auf diese Weise zu überleben. Trotz ihrer bescheidenen Herkunft als Tochter eines Schneidergesellen hatte sie sich eine gute Ausbildung erkämpft, einen anständigen und fleißigen Mann geheiratet und als junge Witwe alleine eine kluge und schöne Tochter großgezogen, deren Schöpfungskraft und handwerkliche Kunst ihr eine große Zukunft verhießen.
    Sie würde es nicht zulassen, dass man ihren Gemahl wie einen Schwerverbrecher zu Tode quälte und ihn in seinem Todeskampf auch noch zum Gespött der ganzen Stadt machte. Sie hatte zunächst überlegt, den Henker zu bestechen, Hermann einen raschen und schmerzlosen Tod sterben zu lassen, doch je länger sie über all ihre Möglichkeiten nachdachte, desto klarer wurde ihr, welchen Mann sie sich gewogen machen musste – und auch konnte. Sie vergewisserte sich, dass die Mädchen schliefen, als sie leise das Haus verließ.
 
    Budweis war eine kleine Stadt, in der jeder jeden kannte. So war auch allgemein bekannt, dass wann immer der Vogt einen schweren Richtspruch zu fällen hatte, er am Abend zuvor eine der besseren Schänken der Stadt besuchte, einen oder zwei Krüge leerte und sich mit dem einen oder anderen Bürger oder Junker beriet. Nele hatte herausgefunden, dass er am heutigen Abend bereits dem Wein in seinem gewohnten Maß zugesprochen hatte. Die Frau des Vogts war seit längerem siech und bettlägerig und dämmerte ihrem Ableben entgegen, wie schon seit geraumer Zeit unter der Bevölkerung gemunkelt wurde. Auch zu Neles Hochzeit war der Vogt, ein unscheinbarer Mann in mittleren Jahren, alleine erschienen, und die Frauen hatten hinter vorgehaltener Hand gewitzelt, welche Blicke er Hermanns jungen und gut genährten Mägden zugeworfen hatte.
 
    Nele suchte eine ihrer Näherinnen auf, die in einem einfachen Häuschen am unteren Ende der Stadt zusammen mit ihrer großen Familie wohnte.
    »Meisterin? Was führt Euch zu mir?«, fragte das Mädchen erstaunt, nachdem einer ihrer Brüder es aus dem Schlummer gerissen und zu Nele vor die Türe geschickt hatte. Nele hob einen Finger und gebot ihr zu schweigen, während sie sie sanft weg von der Hütte und außerhalb der Hörweite ihrer Familie führte.
    »Ich habe mitbekommen, dass du gut mit Männern umzugehen weißt, stimmt das?«
    Die junge Frau schlug die Augen nieder. »Ihr meint doch nicht etwa Euren Gatten? Ich schwöre Euch …«
    »Aber nein. Hör zu, ich benötige deine Hilfe.«
    Die Näherin war ein keckes und auffallend gut gewachsenes junges Ding, das schon so manchem Mann ungeniert schöne Augen gemacht hatte. Nele hatte zufällig einmal ein Gespräch zweier Knechte Hermanns mit angehört, die sich protzend über die Qualitäten des Mädchens im Heu unterhalten hatten. Doch als die junge Frau nun hörte, worum

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