Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
die Meisterin sie bat, wollte sie ihren Ohren nicht trauen.
»Streck deine Hand aus.« Das Mädchen tat wie geheißen und fühlte die Münze auf ihrer Handfläche. Es war eine große und schwere Münze, wahrscheinlich der erste volle Gulden, den es in seinem Leben überhaupt zu sehen bekommen hatte, und unter Erröten gelobte es, Neles Befehl zu befolgen und mit dem Mann Dinge zu treiben, die man nicht einmal in der Beichte oder auf dem Sterbebett gestehen durfte.
Nele führte die junge Frau an die Pforte des Vogts und hieß sie im Dunkeln warten. Als der Mann, vom Wein leicht umnebelt, schließlich heimkam und sein Haus aufschloss, schlüpfte die junge Frau mit ihm durch die Tür. Erst im Morgengrauen verließ das Mädchen wieder das Haus, nickte Nele augenzwinkernd zu und konnte sich ein kleines Lachen über die verdiente Summe und die Lust des Vogts nicht verkneifen. Kaum war die junge Näherin außer Sicht, suchte Nele den erschöpften Mann selbst auf und sprach klare Worte mit ihm.
Noch immer ohne Franziskas Wissen besuchte Nele ihren Gatten früh an diesem Morgen, dem Morgen vor der Verhandlung. Der Hauptmann, der seit dem Mord an dem alten Medikus deutliche Zweifel an Hermanns Schuld hegte, gestattete ihr einen langen Besuch.
»Lass nicht alle Hoffnung fahren«, sagte sie zum Abschiedzu ihm. »Gott wacht über dich und der Vogt ist dir als Freund gewogen.«
Die Verhandlung gegen Hermann war aus juristischer Sicht nur noch eine formelle Angelegenheit, bei der das Opfer und die geschädigten Familien nicht einmal persönlich anwesend waren. Der Vogt und der Schreiber nahmen an der Längsseite eines Tisches Platz, und Hermann wurde von mehreren Wachen gefesselt vorgeführt.
»Seid Ihr der Rosshändler Hermann von Kreuznach, früherer Fuhrmann aus dem Dorf Kreuznach und später Rosshändler zu Budweis?«
Hermann nickte.
»Antwortet mit ja oder nein!«
»Ja, das bin ich.«
»Habt Ihr den Edelmann Junker Einhard von Bodewang hinterrücks erschlagen, seine edlen Gefährten, den Ritter Bero von Restwangen, Sohn Ethelberts von Restwangen und Enkel des Lehnsherrn Siegfried von Restwangen, schändlich am Leibe verletzt und das halbe Augenlicht genommen?«
»Ja.«
»Habt Ihr den Junker Haymo von Walding am Leibe verletzt?«
Hermann bestätigte auch diesen Teil seines Geständnisses und nahm wenig später seinen Schuldspruch entgegen. Da er einen Edelmann getötet und einen anderen verletzt und auf Dauer verstümmelt hatte, musste er einen zweifachen Tod sterben, erklärte der Vogt. Überdies fiel sein in der Stadt liegendes Vermögen dieser zu, sein Besitz außerhalb der Stadttore, und das war mit der Pferdezucht undden beiden Häusern der Hauptanteil, dem Lehnsherrn. Das Urteil lautete auf Hängen und Wässern und war umgehend zu vollstrecken.
Schon am kommenden Tag sollte Hermann gehängt werden, nicht am Galgen der Stadt, sondern an einer Flussbrücke. Er sollte ganz langsam hinabgelassen werden, bis sein Körper in die Fluten tauchte. Hing er dann im Wasser wie ein Fisch an der Angel, sollte er darin so lange gegen die Strömung ankämpfen, bis der Tod eintrete. Seine Beine sollten frei sein und seine Hände ebenfalls. Nur die Oberarme sollten an den Körper gebunden werden, damit er sich nicht aus der Schlinge befreien konnte. Falls er nicht schwimmen konnte, wäre es ein Segen für ihn, die Erlösung durch den Tod würde umso rascher eintreten. Die meisten gewässerten Delinquenten strampelten jedoch ein geraumes Weilchen mit allen vieren gegen die Strömung und den Tod an, sodass die stets zahlreichen Zuschauer ein ordentliches Spektakel zu sehen bekamen. Der Vogt ging nicht darauf ein, warum er das Urteil nicht erst am nächsten Sonntag oder Blauen Montag vollstrecken ließ, um der Stadt ein kleines Fest zu gönnen. Doch auch am morgigen Werktag würden die meisten Meister ihren Arbeitern einige freie Stunden gewähren, um ihnen zur Warnung und Unterhaltung die Teilnahme an der Hinrichtung zu ermöglichen.
Ohne sichtbare äußere Regung nahm Hermann sein Urteil entgegen. Der Vogt war förmlich wie stets, wenn er Urteile auszusprechen hatte, nur ein kaum sichtbares Blitzen erhellte seinen Blick, als er die Wasserstrafe verkündete und Hermann dabei kurz in die Augen sah.
Franziska besuchte ihren Stiefvater ein letztes Mal. Diesmal gelang es ihr nicht, die Tränen zurückzuhalten. Hermann fragte, ob sie und Nele seine Ersparnisse gerettet hätten. Sie bejahte und erzählte, wie ihre Mutter
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