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Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Siegel
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heute alles aufgenommen werden, damit keine Dinge von Wert klammheimlich verschwinden.«
    »Soll das etwa heißen, wenn Hermann verurteilt wird, gehört der Besitz meines Vaters am Ende noch den Herren von Restwangen?«
    »So ist es. Ich bedaure Euch zutiefst und würde Euch empfehlen, Euer Erbe und die Morgengabe Eurer Mutter aus der eingezogenen Masse herauszubegehren. Darüber können der Lehnsherr oder der König befinden …«
    »Und bis es so weit ist, sind wir verhungert, nicht wahr?« Sie wusste, dass der arme Mann nichts dafür konnte, doch er war es, der hier und jetzt vor ihr stand und deshalb ihren Zorn zu spüren bekam. »Ihr nehmt uns alles, egal ob das nun rechtens ist oder nicht. Und die wahren Täter werden am Schluss auch noch belohnt. Was seid ihr für eine elende Bande!« Ihr Vater hatte so hart geschuftet und so früh mit dem Leben für seinen Erfolg bezahlt. Und Hermann, dieser grundgütige und ehrliche Mann, wie konnte man ihm nur so etwas antun?
 
    Sie mussten schnellstmöglich mit dem Arzt sprechen. Den Nachmittag leistete Franziska ihrer Mutter so gut es ging Beistand und versuchte, den Haushalt in Gang zu halten. Vorhandene Nahrungsmittel, auch Bier und Wein, durftensie verbrauchen, doch war es ihnen nicht einmal gestattet, ein Huhn schlachten zu lassen.
    Gegen Abend wollte Franziska zusammen mit Maria den Arzt wieder aufsuchen. Die Mädchen hatten Tücher um das Haupt gebunden, um nicht schon von weitem erkannt zu werden, und näherten sich mit raschen Schritten dem Haus des Alten. Erstaunt sahen sie, dass sich dort eine kleine Menschenmenge versammelt hatte. Die Leute drängelten, rempelten und reckten die Hälse, da ein jeder einen Blick in das Haus werfen wollte. Franziska spürte Unbehagen. Ein Unglück musste geschehen sein. Auch Marias Miene verriet, dass sie Schlimmes ahnte.
    Ein zerlumpter Straßenjunge tollte mit einem ebenso verdreckten und mageren Hund um sie herum. »Weißt du, was geschehen ist?«, fragte Franziska und der Kleine streckte ihr seine schmutzige Hand entgegen. Maria fand ein Kupferstück in ihrer Tasche und warf es ihm zu. Der Junge legte den Kopf zur Seite, verdrehte die Augen und streckte die Zunge heraus, während seine Hand ein imaginäres Seil über seinem Kopf hielt. Dann verschwand er lachend und sein Hund sprang ihm hinterdrein.
    Wortfetzen drangen plötzlich an die Ohren der Mädchen. »Wahrscheinlich schon gestern Nacht … die Wirtschafterin kam erst nach Mittag … die arme Frau … völlig verstört …« Franziska war einer Ohnmacht nahe. In ihren Ohren rauschte es, als das Durcheinander der Stimmen ihr entgegenschlug. Tränen stiegen ihr in die Augen. Das konnte doch nicht mit rechten Dingen zugehen! Der einzige Entlastungszeuge sollte plötzlich verstorben sein? Wie sollte sie Hermann nun vor dem Todesurteil bewahren? Maria an ihrer Seite schluckte tapfer und hielt Franziska fest. »Sei tapfer, noch ist nicht alles verloren«, murmelte sie ihr ins Ohr, während sie sie rasch von der Menschenmenge fortführte.
 
    Hermann erfuhr noch am selben Abend von der Wache, die ihm Essen und Wasser brachte, vom seltsamen Tod seines Zeugen. An einem Balken in der Stube seines Hauses hatte man ihn erhängt gefunden. Da neben ihm ein umgestoßener Stuhl stand, hatte man zunächst an Selbstmord gedacht, doch hatte der Hauptmann der Wache, der auch Hermann abgeführt hatte, erhebliche Zweifel an dieser Sünde geäußert. Der Strick, an dem der kleine Mann baumelte, war zu kurz, als dass er ihn auf dem Stuhl stehend um den Balken winden und dann den Kopf durch die Schlinge hätte stecken können. Die Stube des Arzthauses hatte eine lichte Decke, die bis zum Dachboden reichte. Die oberen Zimmer waren in einer Art Galerie angebaut, daher die außergewöhnliche Höhe des Raumes. Der Hauptmann war ein erfahrener Mann und ein scharfer Beobachter. Außerdem waren im Zimmer wertvolle Gegenstände des Arztes verstreut, die nach Aussage der Wirtschafterin noch gestern auf Regalen oder in einer großen Truhe gelegen hatten. Der Alte war ein ordentlicher Mann gewesen, nie hätte er sein kostbares Gut so achtlos auf den Boden geworfen. Es musste ein Kampf stattgefunden haben, wahrscheinlich nur ein kurzer und ohne größere Gegenwehr des Opfers. Ein dickes Buch mit medizinischen Aufzeichnungen lag auf einem Stehpult, das konnte der Hauptmann erkennen, auch wenn seine Lesekenntnisse mäßig waren und er kein Latein beherrschte. Wahrscheinlich war der Arzt beim

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