Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
fragend an. »Nun, falls sie Euch passen, nehmt dieses Paar, das ich Euch gleich bringe. Es scheint wie für Euch und Euer Kleid gemacht. Einen kleinen Augenblick bitte.« Sie verwahrte ein Paar der Sandalen, die Hoimar ihnen angefertigt hatte, in ihrem Schneiderkorb, in dem sie Nähmaterial, Knöpfe und sonstige Kleinteile mit sich führte. Sie zog sie hervor und reichte sie der Kundin.
»Französische Schuhe!«, entfuhr es Elsbeth, und ihre Augen glänzten. »Wo habt Ihr die her? Erst ein einziges Mal habe ich solches Schuhwerk gesehen, weit weg von hier und an einer Herzogin, wohlgemerkt! Lasst sie mich probieren!«
Franziska reichte das Paar der Zofe, die sich sogleich daranmachte, der Herrin aus den alten in die neuen Schuhe zu helfen.
»Habt Ihr dünnes Strumpfwerk? Ansonsten finden wir bestimmt …« Elsbeth winkte ab.
»Diese Schuhe! Ihr seid mir ein paar durchtriebene Frauenzimmer, Meisterin!« Sie gurrte beinahe, als sie wie betört auf die zierlichen Kunstwerke aus Leder blickte. Sie ließ sich aufhelfen. »Den Spiegel, rasch!«, rief Franziska, und Walram rückte das Möbel zurecht. Selbstverliebt betrachtete Elsbeth ihre wohlgeformten Füße mit den schlanken Fesseln und malte sich aus, welch großes Aufsehen sie erregen würde.
Schließlich riss sie sich von ihrem Spiegelbild los, streifte die Schuhe ab und ließ sich aus dem neuen Kleid helfen. Die Mädchen und die Zofe legten es sorgfältig zusammen und wickelten es in ein Leinentuch, das die Zofe vorsichtig auf den Armen trug. Über die Bezahlung des Stückes verlor dieedle Dame kein Wort. »Morgen, Ihr werdet sehen!« Mit den Worten verließ sie die Werkstatt.
Walram seufzte. »Ich bin ein schlechter Lügner, aber sie hat es nicht bemerkt, hat zum Glück nur Augen für ihre Schönheit gehabt, die in dem Kleid erschreckend zur Geltung kam. Ich hätte es nicht gewagt, ein solches Kleid zu fertigen … und auch nicht vermocht, das muss ich gestehen. Ich habe Euch heimlich beobachtet, meine Damen. Ihr versteht Euer Fach, nein, Ihr beherrscht es. Und die Idee mit dem ausgefallenen Schuhwerk war die Meisterleistung einer wahren Kleiderkünstlerin. Sprecht, wie steht Ihr zu dem Vorschlag, für eine Weile meine Gäste zu sein?« Die Mädchen strahlten, und Nele seufzte erleichtert. Ein Anfang war gemacht.
Walram lud sie zum Nachtmahl in seine Wohnung ein, zu dem sie in Begleitung von Ditgurd erschienen, der sie nicht alleine des Abends durch die fremde Stadt hatte gehen lassen wollen. Das Mahl war gut und reichlich, wenn auch bescheiden. Nachdem ein Krug Wein geleert war, an dem die Frauen nur nippten, begann Walram aus seinem Leben zu plaudern. Er wurde bald fünfzig Jahre alt, und sein Augenlicht war nicht mehr das Beste. Außerdem schmerzten seine Gelenke und er konnte nicht mehr den ganzen Tag in der Werkstatt sitzen und arbeiten. Seine Frau lag seit einigen Wochen im Hospital des nahen Nonnenklosters. Ihr Leib schien nur noch aus harten Knoten zu bestehen, und sie konnte schon seit Monaten nicht mehr arbeiten, geschweige denn den Haushalt führen. Er hatte sie am Nachmittag besucht und von den geschickten und begabten, aber heimat- und mannslosen Schneiderinnen erzählt, die aus einemKleid, das ihm und seinen Gehilfen nur mäßig gelungen war, ein unvorstellbares Prachtstück gemacht hatten. Die hochwohlgeborene und eitle Kundin würde bestimmt damit prahlen und weitere Edelleute senden, die sich einkleiden ließen. Mit Glück konnte er so den stetigen Rückgang des Geschäfts aufhalten, der ihm seit einigen Jahren Sorgen bereitete. Vielleicht wären die Frauen ja die langersehnte Rettung vor der drohenden Verarmung, gestand er schließlich hoffnungsvoll.
Die Gäste hörten ihm ruhig und respektvoll zu. Schließlich sprach Nele: »Guter Meister Walram, Euer Angebot ist überaus großzügig, und offen gestanden genau das, was meine Tochter jetzt benötigt. Ich denke, ich kann sie und Maria mit ruhigem Gewissen in Eure Obhut übergeben. Gewiss werden die beiden Mädchen Eurer Werkstatt zu neuem Aufschwung verhelfen und Euch reiche Früchte bescheren. Überlasst Franziska die Entwürfe der Kleider und Maria die Organisation des laufenden Betriebes. Die beiden werden Euch nur Freude bereiten. Ich selbst werde nicht bei Euch verweilen, so verlockend diese Aussicht auch ist. Ich werde mit Ditgurd schon bald abreisen. Mein Gemahl musste Budweis vor einiger Zeit ebenfalls überraschend verlassen, und wir sind auf der Suche nach ihm. Es wird
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