Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
einzustellen, obwohl Bedarf an einem oder zwei Gesellen gewesen wäre. Der Dritte war der besagte Witwer, ein hutzeliges Männchen, das hundert Jahre alt zu sein schien und lüsterne Blicke auf die drei Frauen warf. Auch die vierte Werkstatt kam nicht in Frage kam, diesmal weil des Meisters eifersüchtiges Weib keine weiteren Frauen im Geschäft duldete. Entmutigt suchten sie gegen Ende des Tages schließlich noch die fünfte Schneiderei auf. Das Geschäft lag ein wenig abseits der besten Straßen und war in einem deutlich kleineren und bescheideneren Haus als die vorigen untergebracht. Dennoch schien der Inhaber gut betuchte Kundschaft zu bedienen. Gerade probierte eine sehr hübsche Frau, offensichtlich von Stand und in Begleitung einer Zofe, ein festliches dunkles Kleid, verziert mit Brokat und mit Silber durchwirkter Seide. Der matt schimmernde Wollstoff passte gut zum dunklen Haar und den Augen der Frau, sodass das Gewand auf den ersten Blick gelungen wirkte. Die Kundin drehte sich vor einem Spiegel in den Hüften, machte kleine Schritte vor und zurück und hob abwechselnd die Arme. Sie schien mit der Arbeit nicht unzufrieden zu sein, aber zeigte auch keine rechte Begeisterung. Der Schneider stand neben ihr und schwieg demütig.
»Dieses Kleid passt Euch nicht«, platzte Franziska heraus. Der Schneider, ein zaundürrer, nicht mehr junger Mann, fuhr erschreckt herum und starrte die drei Frauen an, die ungebeten sein Geschäft heimsuchten. »Wie könnt Ihr es wagen!«, herrschte er sie an, doch die Kundin lächelte neugierig und gebot ihm mit einem Wink zu schweigen. »Wie meint Ihr? Es passt nicht? Und wie sollte es Eurer kundigen Meinung nach gefertigt sein? Ich habe extra den Brokat unddie Seide einarbeiten lassen. Nur wenige Damen können solche Kleider tragen«, meinte sie selbstsicher.
»Es liegt nicht an den Stoffen, mit Verlaub«, sagte Franziska. »Es ist mehr … Wartet, ich zeige es Euch!« Sie schritt auf die Frau zu und hob das Kleid ein wenig an den Schultern an. »Seht ihr? Die Taille sitzt mindestens zwei Finger zu tief. Und das Mieder bauscht hier zu sehr. Wir müssen an der Seite noch ein wenig straffen, damit Eure Büste besser zur Geltung kommt.« Sie warf der Kundin einen gespielt sittsamen Blick zu. »Die Länge ist ebenfalls nicht richtig. Wenn es vorn kürzer als hinten ist, sieht man Eure Schuhe besser und es wirkt von hinten wie eine Schleppe. Es ist doch für feierliche Anlässe, oder? Und mit diesen altmodischen Haken und Ösen sitzt es sowieso nicht, da gibt es Besseres. Maria, komm mal her und halte hier und hier.« Maria hielt den Stoff so, wie Franziska es sagte, die ebenfalls an mehreren Stellen das Kleid straffte. »Seht nun!«, wies sie die Dame an, die überrascht in den Spiegel blickte. Kritisch besah sie sich von oben bis unten und studierte die Festtagsrobe ausgiebig. Schließlich huschte ein Lächeln über ihre Lippen. »Meister«, sagte sie, »genauso möchte ich es haben. Und wie vereinbart muss es übermorgen fertig sein. Kann ich mich darauf verlassen?« Die Hände des Mannes kneteten unruhig die Aufschläge seines Rockes. »Nun … in so kurzer Zeit? Ich weiß nicht …«
»Natürlich ist das Kleid übermorgen fertig, wenn wir uns gleich daransetzen«, unterbrach Franziska. »Lasst es am Nachmittag abholen oder bemüht Euch selbst hierher. Wir können es Euch auch gern bringen, wo wohnt Ihr?« Die Kundin wandte sich dem Mädchen zu und musterte es von oben bis unten. Auch Nele und Maria betrachtete siekurz. »Habt Ihr Eure Kleider selbst genäht?«, fragte sie, als sie die guten Stücke sah, die die Frauen angelegt hatten, um bei der Zunft und den Meistern vorzusprechen. »Natürlich«, antwortete Franziska, »in unserer Werkstatt in Böhmen.«
Die Kundin sah den Schneider an. Ihr Blick duldete keinen Widerspruch. »Lasst sie das Kleid ändern. Bis übermorgen! Haben wir uns verstanden?«
Gesenkten Hauptes murmelte der Mann irgendetwas, das wie eine Zustimmung klang, während die Frau bereits mit ihrer Zofe im Hinterraum verschwand, um ihr eigenes Gewand wieder anzulegen. Wenig später verließ sie den Laden, nicht ohne Franziska noch einen aufmunternden Blick zuzuwerfen.
»Was habt Ihr mir da nur eingebrockt?«, sagte der Schneider. »Ihr wisst ja nicht, wie schwierig diese Frau werden kann. Wenn es um die Ausführung ihrer Bestellungen geht, kann sie sehr kleinlich und halsstarrig werden, aber sobald es an der Zeit für die Begleichung ihrer Rechnungen
Weitere Kostenlose Bücher