Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
machte Karl sich das Vergnügen, von erlesenen Stoffen zu berichten, die in Venedig und Triest umgeschlagen wurden, und deren Pracht und Kostbarkeit nur noch von den Damen übertroffen werden konnten, die sie trugen. Zufällig kannte er auch einen Handelsmann vor Ort, der die besten Beziehungen zu den Anbietern pflegte
Gleich am nächsten Morgen suchte Karl Meister Walram auf und fragte ihn keck nach den beiden Mädchen. Schließlich sandte der Schneider ihn in die Herberge, nachdem Karl ihn überzeugt hatte, der Bruder Marias zu sein.
»Es war zum Totlachen, ihr könnt es euch nicht vorstellen«, sprudelte er prustend hervor, und die beiden Mädchen starrten ihn ungläubig an. Sie waren gerade beim Frühstück in der Schänke, als Karl völlig unbekümmert und wie selbstverständlich dort erschien. Er setzte sich schwungvoll an ihren Tisch, bestellte einen Krug Dünnbier und erzählte von seiner Reise und dem gestrigen denkwürdigen Abend.
Zufrieden grinste er die überraschten Mädchen an, die erst jetzt ihre Worte wiederfanden und ihn mit Fragen überschütteten. Wo Ludwig sei, wann er ihn zuletzt gesehen habe, ob es ihm wohl gut ginge, ob die Leute von dem Fest wirklich Interesse an den Kleidern hätten? Geduldig antwortete Karl auf alle Fragen, doch viel wichtiger erschienen ihm die geschäftlichen Möglichkeiten, die sich ihnen nun auftaten. Die Mädchen sollten keine Zeit verlieren und sich rasch bei Walram einfinden.
Es war Samstag, für die meisten Handwerker ein gewöhnlicher Arbeitstag. Am morgigen Sonntag würden alle Betriebe stillstehen, also war es wahrscheinlich, dass Elsbeth mit ihrem Verehrer heute noch die Schneiderei aufsuchte. Die Mädchen sollten auf jeden Fall gerüstet sein. In ihrem Gepäck hatten sie ein Kästchen mit Knöpfen mit sich geführt, von dem sie einen Teil bereits für das Kleid und die Hosen verbraucht hatten. Sollten Bestellungen eintreffen, würden sie Nachschub benötigen. Maria erbot sich, Handwerker ausfindig zu machen, die sie für sie fertigten.
Als sie bei Walram eintrafen, wartete der Schneidermeister bereits auf sie. Seine Gesellen saßen an den Nähtischen und arbeiteten an den Wämsern der Zimmerleute. Franziska prüfte die bisherige Arbeit, sie war solide, wenn auch nicht außergewöhnlich. Die verwendeten Stoffe waren gute, haltbare Ware. Walram war ein ehrlicher Kaufmann. Sie besprach mit den Burschen, welche Partien sie noch nicht bearbeiten sollten, da sie daran selbst gern die eine oder andere Änderung vornehmen wollte. Die beiden gehorchten ohne Widerrede.
Karl sah sich alles ganz genau an. Die Werkstatt, den Hinterhof mit dem zweiten Häuschen, einen ehemaligen Stall mit Scheune, die derzeit nicht benutzt wurden, aber geräumig und trocken waren, und den Speicher oberhalb Walrams Wohnung. Er schrieb in ein kleines Buch und schien Berechnungen durchzuführen, die er aber für sich behielt. Maria sah, wie er kaum sichtbar lächelte.
Es war noch nicht einmal Mittag, als Elsbeth mit ihrem Galan eintraf. Als Elsbeth Karl sah, der augenscheinlich vor ihr das Geschäft entdeckt hatte und ihr und ihrem Grafen mit der neuen Mode zuvorgekommen war, schreckte sie kurz zusammen. Höflich stellte Karl Maria als seine Schwestervor, was die Dame mit einem erleichterten Blick quittierte. Der Graf begrüßte Karl mit einem freundlichen Handschlag, doch schien er nicht an belanglosem Gespräch interessiert, sondern vielmehr neugierig, die Künste dieser Schneiderwerkstatt kennenzulernen.
»Ihr wünscht, Hochwohlgeboren?«, fragte Walram, der sich diskret in den Blickwinkel des Grafen geschoben hatte.
»Ihr stellt seltsame Fragen, Meister Walram. Graf Meynhard von Aarnkreutz hat sich bereit erklärt, die Künste Eurer Werkstatt zu erproben. Kleidet ihn ein!«
Franziska und Maria traten hinzu zu und nahmen Maß. Der Graf war von mittlerem Alter, etwas mehr als durchschnittlicher Größe, nicht dick, aber kräftig und stämmig. Franziska besah ihn lange, dann begann sie zu sprechen, ohne auf den Standesunterschied zu dem Grafen zu achten. »Benötigt Ihr zunächst Festtagskleider? Einen Rock mit Umhang oder Mantel vielleicht? Dazu Beinlinge natürlich, die sind unsere Spezialität. Ihr seid ein starker Mann, sie werden Euch ausgezeichnet kleiden. Zeigt dem Grafen die Muster!« Die beiden Gesellen brachten eilends die neuen Hosen Walrams. »Dieser Schnitt ist allerdings nicht ganz der richtige für Euch. Wir hatten an dem Meister Maß genommen, der viel zierlicher
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