Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
wenn sie den verdeckten obersten Knopf des Ausschnitts öffnete. Sie konnte die Augen nicht von ihrem Spiegelbild lassen, drehte und wendete sich, nahm ihre Haube ab und hielt ihr volles dunkles Haar mal so und mal anders um ihr Gesicht.
Die drei Scheiderinnen hielten sich im Hintergrund des Zimmers und warteten, bis Elsbeth sie ansprach.
»Ist das wirklich dasselbe Kleid? Ich habe das Gefühl, vorgestern in einem Sack gesteckt zu haben. Heute hingegen …« Wieder sah sie in den Spiegel und holte tief Luft und bestaunte selbstverliebt ihr Dekolleté. »Ich fühle mich wie eine Königin. All diese neuen Ideen! Sagt, wo habt Ihr Euch bisher versteckt? Wie kann ich Eure Dienste weiterhin in Anspruch nehmen?«
Der Schneider räusperte sich. »Die drei Frauen sind, äh, also, äh, sind meine … meine Gäste. Sie kommen aus Böhmen und entstammen einer bekannten Meisterfamilie. Ich habe sie … sie eingeladen, jawohl, eingeladen. Wir wollen, also wir haben vor, vielleicht in Zukunft den einen oder anderen Auftrag gemeinsam … also, solange die Damen abkömmlich sind und nicht wieder abreisen müssen. Mein Weib und ich hielten es für eine gute Idee, wo wir doch kinderlos sind und an der Stufe zum Alter stehen, also, wir dachten, es wäre fortschrittlich, sich mit den Angehörigenalter Meisterkollegen und lieben Freunden aus anderen Städten auszutauschen, wo doch das Reich immer weiter wächst, Ihr versteht … und mein Geschäft ausgebaut werden soll …« Belustigt verfolgte Elsbeth sein verlegenes Stottern.
»Ihr arbeitet jetzt dauerhaft in dieser Werkstatt?«, fragte sie nun Nele. »Ich wohl nicht. Ich werde bald wieder zu meinem Gatten reisen, an dessen Seite mein Platz ist. Die beiden Jungfern, meine Tochter und meine Schutzbefohlene, die Tochter eines Edelmannes und Klosterschülerin, sollen in Nürnberg dienen und schaffen. So wünschen es ihr Vormund und mein Gemahl und haben sie deshalb zu unserem ehrbaren Freund hierhergesandt.«
»Was könnt Ihr noch nähen? Umhänge? Mäntel? Unterkleider?«
»Wir nähen alles. Ihr könnt Euch und Euren Hausstand auf das Modernste von uns ausstatten lassen. Die Knopfmode ist, mit Verlaub, eine Erfindung meiner Tochter und ihrer Freundin. In Böhmen trägt man nichts anderes mehr!« Franziska und Maria nickten eifrig, um Neles Worte zu unterstreichen.
»Wir haben auch Kleider für Herren gefertigt. Seht sie Euch an! Wenn Euer Gemahl vielleicht …«
»Ich bin Witwe, seit längerem schon. Aber ich habe einen Kurator, falls Ihr das meint.«
»Gewiss, wie dumm von mir. Doch seht her. Mädchen, bringt die Beinlinge!«
Franziska und Maria sprangen in den Schneiderraum und holten die Hosen, die am selben Tag fertig geworden waren. Die Handwerkersöhne sollten blaue und grüne Beinkleider tragen, passend zu Wämsern, die bereits in Auftrag gegebenworden waren. Interessiert beäugte die Edelfrau die ungewöhnlichen Kleidungsstücke und hielt sich die Beinlinge vor die Hüften. Sie kicherte, als sie einen Zeigefinger zwischen zwei Knöpfen des Hosenschlitzes durchsteckte und aufrichtete. »Ihr seid mir ja ein ganz Raffinierter, Meister Walram. Neue Moden für Damen und Herren. Nicht nur kleidsam, sondern auch praktisch!«
Elsbeth reichte Franziska die Hosen und schien zu überlegen. »Ich werde heute mit einigen wichtigen Persönlichkeiten speisen«, sagte sie nachdenklich. »Zu diesem Anlass musste auch mein Kleid unbedingt fertig werden. Versprecht mir, diese Hosen in den nächsten Tagen niemandem zu zeigen, ich schicke Euch einen hohen Herrn, der Kleider bestellen wird. Lasst ihn den Ersten sein, der diese Hosen und ein passendes Wams trägt, und es soll Euer Schaden nicht sein. Vermögt Ihr das?«
Der Meister stand mit unbewegtem Gesicht vor ihr. Die Zimmermannshochzeit war erst in mehr als zwei Wochen. Er hatte die Arbeit nur deshalb schon beginnen lassen, weil er zurzeit nicht eben mit Aufträgen überschüttet war. Er nickte. »Ich kann Euch das nur für ganz kurze Zeit versprechen. Lasst den Herrn kommen, Wams und Hosen können in wenigen Tagen fertig sein.«
»So soll es geschehen. Ihr werdet schon morgen von ihm hören!«
Franziska gab Maria einen leichten Stoß in die Rippen und lächelte ihr zu. Plötzlich schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf: »Das Kleid wird Euch gewiss einen würdigen Auftritt verleihen, Frau Elsbeth. Doch eine Kleinigkeit fehlt noch dazu. Was für Schuhe gedenkt Ihr zu der Feierlichkeitzu tragen?« Elsbeth sah die junge Frau
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