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Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Siegel
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den Brenner einschlagen, über die Maria vor mehr als neun Jahren in das deutsche Königreich gereist war.
    *
    Franziska war froh, dass ihre Mutter bei ihr in Wien geblieben war. Der Schmerz über den Verlust Ludwigs war groß, und sie weinte noch viel in den nächsten Nächten, bis sie sich schließlich mehr und mehr in ihr Schicksal fügte. Tagsüber blieb ohnehin keine Zeit, sich Schmerz und Trauer hinzugeben. Die königlichen Gewänder mussten pünktlich fertiggestellt werden. Die Königin hatte ihr Festkleid bereits erhalten.
    Blanches Festausstattung wurde ebenfalls rechtzeitig geliefert. Sie hatten einen langen Anprobetermin in der Burg und waren mit drei Näherinnen erschienen, um alle Änderungen sofort ausführen zu können. Noch während sie mitten in der Arbeit waren, ließen weitere Adelige diskret mitteilen, für das Fest noch das eine oder andere Kleidungsstück zu benötigen. Sie konnten nur noch Aufträge für Beinkleider annehmen, da diese am schnellsten genäht waren, mit Ausnahme eines einzigen Festgewandes für Rudolf, zu dem er sich kurzerhand noch entschlossen hatte. Mehr war in der Zeit bis zur Hochzeit beim besten Willen nicht zu schaffen.
 
    Marias Verschwinden hielt das Königspaar nicht davon ab, Ludwig mit der jungen Französin zu verloben. Ihm wurde Stillschweigen über seine Schwester aufgetragen, an das er sich schweren Herzens hielt. Franziska teilte dem Vermieter des Hauses mit, dass sie am Tag der königlichen Hochzeit Wien verlassen und wieder nach Nürnberg reisen wolle. In Österreich gab es nichts mehr für sie zu tun.

NÜRNBERG     Januar 1301
    »Ihr könnt euch nicht vorstellen, was hier seit eurer Abreise los war. Alle Welt scheint zu wissen, dass wir die Königshochzeit ausgestattet haben. Ich weiß nicht, an wie vielen Leuten ich Maß genommen habe. Seht selbst, ich habe alles notiert.« Walram brachte ein Buch, in das er mit seiner ungelenken und krakeligen Handschrift die Namen, die Art der gewünschten Kleider und das Datum des Auftrags geschrieben hatte. Die Maße der Kunden und die gewünschten Materialien hatte er in ein anderes Buch eingetragen, hatte die Stoffe bei den Tuchhändlern besorgt und mit den vor Ort gebliebenen Gesellen und Näherinnen begonnen, die vorbereitenden Tätigkeiten auszuführen. Franziska stürzte sich noch am Tag ihrer Heimkehr in die Arbeit. Nele konnte es kaum fassen, welch große Werkstatt ihre Tochter aufgebaut hatte, und suchte sofort, wie sie sich nützlich machen konnte. Ihre Augen waren nicht mehr ganz so scharf wie früher und so übernahm sie die Aufgaben, die Maria einst erfüllt hatte, plante und organisierte alle Schritte zur Fertigstellung der vielen Gewänder und arbeitete Hand in Hand mit Walram.
    Franziska entwarf weiterhin die meisten Stücke selbst oder nahm Änderungen an älteren Entwürfen vor und schuf so wunderbare neue Kreationen. Ihre größte Freude war nachwie vor die persönliche Beratung der Kundinnen und Kunden, und dank ihres geübten Blicks und ihres Geschmacks vertrauten die Damen ihr auch dann, wenn sie moderne oder gewagte Lösungen vorschlug. Die Tuchhändler rissen sich darum, erlesene Ware an ihre Werkstatt liefern zu dürfen. Mittlerweile unterhielt sie Geschäftsbeziehungen zu den bedeutendsten Großhändlern Europas. Feinste englische und niederländische Wolle wurde ebenso verarbeitet wie Leinen aus Flandern, Seide aus Italien und Brokat aus Spanien und dem Orient. Zuletzt hatte sie einige Ballen eines sündhaft teuren Stoffes aus Indien eingekauft, den man, glaubte man den Worten des venezianischen Händlers, schon seit über zweitausend Jahren in Asien und Ägypten kannte und der im alten Babylon als Weißes Gold bezeichnet wurde. Er wurde angeblich aus den Früchten eines Gewächses gewonnen. Der Fernreisende Marco Polo hatte in seinen Berichten erwähnt, dass der Kaiser von China ganze Felder von der Größe europäischer Fürstentümer mit den Sträuchern bepflanzen ließ und dass Abertausende von Arbeitern damit beschäftigt wären, die reifen Früchte zu ernten und deren feine Fasern zu sammeln. Viele Arbeitsschritte und hohe Kunstfertigkeit waren vonnöten, um aus den watteartigen Fasern den feinen Stoff zu weben. Franziska hatte ihn für ein eigenes Hemd ausprobiert und war begeistert. Das makellose blühende Weiß würde wundervolle Kragen und Hemden für die wohlhabenden Kunden abgeben, davon war sie überzeugt und rechnete die Ausgaben für das wertvolle Material in die

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