Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
von oben bis unten. Sie war prächtig gewachsen, aber das war ja nichts Neues für ihn. Schön, dass ihm diesmal niemand in die Quere kommen konnte.
Maria spürte, wie alles Blut aus ihr wich. Ihr war übel. Sie wünschte sich, der Erdboden möge sich auftun und sie verschlingen. Bero war noch schrecklicher, als sie ihn in Erinnerung hatte. Sein Mund näherte sich ihrem Ohr. »Bring deine Freundin zur Hochzeit mit. Ihr schuldet mir noch etwas, wie du weißt!« Eine Hand fasste Maria von hinten zwischen die Beine, während die andere nach ihrer Brust griff. In diesem Augenblick öffnete sich die Tür des Empfangszimmers und der königliche Kanzler Fürstbischof Johann von Strassburg erschien im Türrahmen. »Na, na, mein guter Restwangen, ihr müsst Euch schon bis zur Hochzeit gedulden. Ein schönes Paar seid Ihr, fürwahr! Doch jetzt kommt rasch, der König möchte Euch sprechen.« Er nickte Maria zu und zog Bero mit sich. Hinter den beiden Männern schloss sich die Tür.
Maria war erleichtert. Endlich konnte sie wieder atmen. Sie hastete aus dem Raum, rannte so schnell sie konnte an dem überraschten Diener vorbei zu ihrer Kammer. Von kleinauf war sie stets fügsam gewesen, hatte ohne Widerspruch gehorcht, hatte sich nicht gegen das Kloster gesträubt und war Ludwig zuliebe Hofdame geworden, obwohl sie bei Franziska so glücklich gewesen war. Jeden anderen Mann hätte sie gewiss akzeptiert und wäre eine gute und über jeden Tadel erhabene Ehefrau geworden. Doch ganz bestimmt nicht die des einzigen Menschen auf dieser Welt, den sie abgrundtief hasste. Der Franziska und ihr Gewalt antun und Hermann hinrichten lassen wollte, wahrscheinlich den armen alten Arzt aus dem Weg hatte räumen lassen – und das Ruchloseste von allem: der der Mörder ihrer Mutter war. Sie hatte auf Zypern gesehenen, wie Rochus die Mordwaffe aus den Händen der Büttel an sich genommen hatte, und sie war ganz sicher, dass es das Messer gewesen war, das später Karl erhalten hatte. Dass Bero es wiedererkannt hatte, war Beweis genug dafür, und sie war überzeugt, dass auch Karl dies wusste. Ihr Herz raste, während sie hastig in ihrer Truhe kramte. Diesmal würde sie nicht willfährig und gehorsam sein. Lieber würde sie sterben, als Beros Frau zu werden.
Sie konnte nicht viel mitnehmen, es wäre zu auffällig, wenn sie mit einem großen Bündel die Burg verließe. Sie legte sich die Kette mit dem geliebten Anhänger um den Hals, steckte den wenigen wertvollen Schmuck ein, den sie besaß, und legte ihren warmen Umhang um die Schultern. Sie zog ihre festesten Schuhe an und machte sich auf den Weg.
Niemand schöpfte Verdacht, als sie mit eiligen Schritten den Burghof verließ. Die Wachen nickten höflich. Sie hatte schon einige Male Urlaub erhalten, um Franziska zu treffen oder mit ihrem Bruder Wien zu erkunden. So rasch sie konnte, lief sie durch die enge Stadt, verirrte sich zweimal,musste immer wieder nach dem Weg fragen. Es war noch früher Vormittag, und die Straßen waren sehr belebt. Umso besser, dachte sie sich, dann findet mich so schnell wenigstens keiner.
Sie erreichte Franziskas Haus und pochte an die Pforte, die umgehend geöffnet wurde. Der Hausbursche brachte sie in die Stube, wo die kleine Gesellschaft gerade über ihr Schicksal gesprochen hatte.
»Gott sei Dank, du bist hier!«, rief Karl erleichtert. »Hast du schon gehört, was …«
»Darum bin ich ja weggelaufen! Ich muss fort, auf der Stelle! Bitte bring mich weit weg, heute noch. Ich bin sicher, dieses Scheusal wird mich bald suchen.«
Sie bemerkte nicht die Traurigkeit der Freundin, zu groß waren der eigene Schrecken und die Angst. »Sie hat Recht«, sagte Franziska nun mit fester Stimme. »Ich packe dir ein paar Kleider ein. Ihr verschwindet am besten wirklich, so schnell ihr könnt.« Karl nahm seine Schwester in den Arm. »Wir schaffen das schon. Mach dir keine Gedanken. Wir besorgen dir ein Pferd und sind heute Abend schon über alle Berge.«
»Bero ist bereits in Wien«, sagte Maria mit Blick auf Hermann. »Du bist hier nicht sicher, er tötet dich, wenn er dich findet. Lasst uns keine Zeit verlieren, kommt!«
Sie sah zu Franziska, die neben ihrer Mutter saß. Nele blickte zwischen der Tochter und Hermann hin und her. »Wir sehen uns im Frühling«, sagte Hermann schließlich bestimmt.
Eine halbe Stunde später waren die drei bereits unterwegs. Hermanns Wagen sollte sie westwärts bringen, und sobaldes das Wetter erlaubte, wollten sie die Route über
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