Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
zog sich ein Arbeitskleid über und ging vom Schlafzimmer in die Stube.
*
Karl war der Erste, der etwas sagte. Frech grinsend meinte er lässig: »Endlich kann man wieder einigermaßen brauchbare Pferde kaufen, wurde ja auch langsam Zeit. Ich dachteschon, ich muss in Zukunft alles zu Fuß laufen, wenn Fathma sich eine Pause verdient hat.« Hermann erhob sich langsam und half seiner Frau auf, die mit offenen Armen auf ihre Tochter zustürzte. »Mein Kind, oh, mein Kind. Es hat so lange gedauert, so schrecklich lange!« Nele umarmte ihre einzige Tochter und hielt sie fest umschlungen. Sie weinte, doch es waren Tränen des Glücks und der Erleichterung.
Es dauerte eine Weile, bis Nele sich wieder beruhigt hatte und sie und Hermann ihre abenteuerliche Geschichte erzählen konnten. Hermann hatte großes Glück gehabt. Fast drei Meilen war er in der reißenden Moldau nordwärts getaucht und geschwommen, bis er den Fluss an einer unwegsamen Stelle verlassen und sich in die Büsche geschlagen hatte. Er war durch dichte Wälder gelaufen und hatte sich immer ostwärts orientiert, bis er auf eine der großen Handelsstraßen stieß. Er folgte ihr Richtung Süden, bis er Böhmen verlassen hatte. Im grenznahen Freistadt wechselte ein Goldstück den Eigentümer, und Hermann war im Besitz anständiger Kleider und eines einfachen, aber brauchbaren Reittiers, das ihn bis nach Enns trug. Dort wartete er. Er verdingte sich als Gehilfe eines Pferdehändlers und scheute auch sonst keine Arbeit. Er wusste, dass sein Vetter Ditgurd mit seinen Fuhrwerken spätestens im Herbst den wichtigen Handelsplatz besuchen würde.
»Du kannst dir nicht vorstellen, wie es war, als er plötzlich vor uns stand! Ich dachte wirklich, Gott hat ein Wunder geschehen lassen. Er war unversehrt, ein bisschen dünn vielleicht, aber sonst wohlbehalten. Wir waren nicht einmal vier Monate getrennt gewesen. Ditgurd traf sich in Enns noch mit weiteren Fuhrleuten, und alle zusammen zogen wir danach die Donau abwärts. Eigentlich wollten wir nochweiter bis zu den Alpen, aber der Schnee hat uns daran gehindert. Wir haben in Österreich überwintert und sind dann im Frühjahr bis nach Meran gezogen.«
Franziska war überwältigt. So oft hatte sie an ihre Mutter und den braven Hermann gedacht, doch nie in diesen mehr als zwei Jahren eine Nachricht erhalten. Beide konnten nicht richtig schreiben, und solange Hermann in Böhmen als gesuchter Verbrecher galt, war es ihnen zu gefährlich erschienen, irgendwelche Boten zu betrauen oder wen auch immer über ihren Aufenthalt zu benachrichtigen.
Die Namen der Städte, von denen ihre Mutter sprach, hatte Franziska noch nie gehört, sie kümmerten sie auch nicht. Wichtig war, die beiden gesund wiederzusehen!
»Ich habe dort jetzt wieder einen Viehhandel. Ochsen und Zugpferde hauptsächlich. Ein kleines Geschäft, doch es ernährt uns. Reitpferde würde ich auch gern wieder züchten, wenn ich nur eine Zuchtstute hätte«, setzte Hermann mit schelmischem Grinsen in Karls Richtung fort, der dies allerdings nicht gehört zu haben schien.
»Ich habe ihnen von deinen Erfolgen erzählt, auch von deinem Auftrag für die königliche Hochzeit. Das macht dich für den Rest deines Lebens zu einer gefragten Schneiderin. Von Maria habe ich auch berichtet, den Rest musst du schon selbst machen«, sagte Karl unbekümmert.
Franziskas eben noch so strahlendes Gesicht verfinsterte sich, und sie schlug die Augen nieder.
»Kind, was …«
»Lass, Mutter, es geht schon. Ich … ich habe eine große Dummheit begangen. Einen Fehler, wie ich jetzt weiß. Ich habe mich so oft es ging mit Ludwig getroffen. Auch hier, in Wien. Ich weiß, das war falsch, er ist schließlich ein Edelmann im Gefolge des Königs und ich nur … nur … eine kleine dumme Schneiderin.« Die Tränen brachen bei den letzten Worten wieder hervor und rannen über ihre Wangen.
»Was hat mein Bruder angestellt? Ich knöpfe ihn mir vor! Jetzt sofort!« Karl wollte schon aufspringen, doch Franziska hielt ihn zurück.
»Lass ihn. Der König hat ihm befohlen, eine französische Grafentochter zu heiraten. Es ist Teil des Abkommens zwischen den beiden Königreichen. Ich verstehe nichts von solchen Dingen, aber Ludwig kann nichts dafür, er muss dem König gehorchen.«
Ungläubig starrte Karl sie an. Er hatte nach wie vor gedacht, sein Bruder würde ein paar Jahre Ritter spielen, dann seinen Abschied nehmen, und anschließend würden sie sich gemeinsam als Kaufleute niederlassen
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