Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
französischer Edelmann führt dich heim. Du bist noch jung genug.«
»Aber wie …«
»Das wirst du gleich erfahren. Doch sei unbesorgt, heute Nacht wird Louis dir deine Unschuld nicht nehmen. In seinem Wein sind Schlafkräuter, die ihre Wirkung bald zeigen werden, und wenn er morgen erwacht, wirst du …«
Erschreckt presste Éléonore die Hand vor den Mund, während sie den Worten lauschte. Schließlich nickte sie gehorsam und versprach der Gräfin, zu tun, wie ihr geheißen.
Als Louis am nächsten Morgen erwachte, stand die Sonne bereits am hellblauen Winterhimmel. Er hatte Kopfschmerzen und ihm war übel. Noch nie hatte er sich so elend gefühlt. Sein Blick wanderte durch den Raum, und er erschrak, als er eine leichenblasse und in ein hochgeschlossenes Kleid gehüllte Éléonore auf einem Stuhl in einer Ecke des Raumes sitzen sah. Plötzlich fiel ihm wieder ein, wo er sich befand und dass er am Tag zuvor in Anwesenheit des französischen Königs geheiratet hatte. Doch die junge Frau, die er nun sah, war nicht die Éléonore, die er kennengelernt hatte. Ihre braunen Augen schienen sich vor Angst zu weiten, als sie sein Erwachen sah, und ihr Körper versteifte sich. Sie wirkte, als säße sie dem Leibhaftigen gegenüber. »Éléonore, was ist mit Euch? Ist Euch nicht gut? Und … was ist mit mir? Ich habe das Gefühl, der Kopf will mir zerspringen.«
»Louis … Ihr … Ihr wisst es nicht mehr? Oh, mein Gott!« Sie schlug die Hände vor das Gesicht und ein Weinkrampf schien sie zu schütteln. Verunsichert wartete Louis.
»Nein … nichts weiß ich mehr. Was ist geschehen? So sprecht doch!«
Éléonore schien noch immer nicht in der Lage zu sein, das Erlebte in Worte zu fassen. Louis wartete, bis sie schließlich mit leiser Stimme zu sprechen anfing.
»Louis … Ihr … Ich dachte, Ihr wärt ein Edelmann. Doch gestern, Ihr hattet wohl zu viel Wein getrunken, wart Ihr dies keineswegs. Als Ihr Euch von zweien Eurer Zechkumpane ins Brautgemach habt führen lassen, ist alle Ritterlichkeit von Euch abgefallen. Freudig hatte ich Euch erwartet, doch die Gewalt, mit der Ihr meinen Leib seiner Unschuld beraubt habt, überstieg meine Kräfte. Und dann das viele Blut – seht selbst.« Sie hob die Decke an, und Louisstarrte auf den zwei Handflächen großen Fleck geronnenen Blutes, der sich am Rand bereits schwärzlich färbte. »Gewiss, Ihr habt Euer Recht eingefordert, wie es Euch zusteht, und mir fehlte es an Erfahrung, was im Brautlager zu tun ist, aber was Ihr mit meinem Leib angestellt habt … Ich weiß nicht, was Ihr alles zerrissen habt. Der Schmerz zieht noch immer durch meinen Körper. Ich wollte nur Euer Erwachen erwarten, bevor ich nach der Hebamme schicken lasse, damit sie mich untersucht. Doch ein Versprechen müsst Ihr mir geben.« So schwer ihr die bisherigen Worte auch gefallen waren, nun hob sie den Kopf und zeigte ihrem Gatten, dass sie von königlichem Geblüt war. Von klein auf hatte sie gelernt, wie man Wünschen Nachdruck verlieh und sie zu Befehlen machte. »Bedrängt mich nie wieder! Solltet Ihr ein weiteres Mal auf Euer Recht bestehen, ich … ich wüsste nicht, was ich mir antäte.«
Ungläubig starrte Ludwig seine Frau an. Wachte er oder träumte er? Sollte er wirklich ein solches Scheusal gewesen sein? Er, der noch nie eine Frau mit Gewalt gefügig gemacht hatte? Dem die bisherigen Bettgefährtinnen im Gegenteil immer Lust und Willigkeit gezeigt und deshalb meist den ersten Schritt getan hatten? Oder hatte Éléonore ihm vielleicht nicht die erhoffte liebevolle Hingabe gezeigt und der Alkohol in seinem Blut hatte ihn zum Schänder werden lassen? Schlummerte in Wahrheit ein reißendes Ungetüm in ihm? Verlegen sah er an sich herab. Er trug nur noch sein Unterkleid, das ebenfalls mit Blut befleckt war. Plötzlich ekelte es ihn vor sich selbst.
NÜRNBERG Frühling 1302
Katharina war ein kleiner Engel und wurde von allen Mitgliedern des Haushalts verwöhnt. Wenn Franziska in der Schneiderei oder der Manufaktur unabkömmlich war, kümmerte sich eine Kinderfrau um ihre Tochter, doch Franziska versuchte, so viel Zeit wie möglich mit Katharina zu verbringen. Nele war einige Wochen nach der Geburt sehr schweren Herzens nach Meran abgereist, doch Ditgurd hatte ihr erklärt, dass er vor dem Frühjahr keine weitere Reise über die Alpen unternehmen werde und sie sich entscheiden müsse, ob sie von ihrem Mann noch ein weiteres halbes Jahr getrennt sein oder im Herbst bei ihm sein
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