Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
wolle. Walram, dem seine Josefsehe nicht das Geringste auszumachen schien, kümmerte sich rührend um die Kleine und war noch immer täglich viele Stunden in der Werkstatt, auch wenn seine Augen den Winter über noch schlechter geworden waren und er nur noch bei sehr gutem Licht und mit fast ausgestreckten Armen selbst an einem Stück Stoff arbeiten konnte.
Franziska wartete auf Wernher, der mit ihr eine Lieferung neuartiger Materialien besprechen wollte, um zu entscheiden, welche Art von Knöpfen sie daraus fertigen würden. Isaak hatte die exotische Ware nur unter großen Mühen beschaffen können. Vom Ostmeer hatte er Bernstein gekauft, der dort angeblich einfach vom Strand aufzulesen war, von Händlern am Mittelmeer einen mattweißen und beinahe steinartigen Rohstoff, der angeblich aus den Stoßzähnen riesiger Elefanten stammte. Er erinnerte Franziska an die Eberhauer und die Geweihe, die sie schon seit längerem verarbeiteten, war jedoch ungleich edler und ließ sich so dünnschleifen, dass man das Sonnenlicht hindurchsehen konnte, und es schimmerte wie ein Regenbogen, wenn das Licht sich darin spiegelte. Wernher hatte schon vor einiger Zeit, nachdem sie eine Warenprobe erworben hatten, die ersten Knöpfe aus dem weißen Material fertigen lassen. Es bedurfte größter Kunstfertigkeit und großer Vorsicht, doch die Ergebnisse waren sehr schön geworden.
»Gott zum Gruße, Meisterin«, hörte sie den Mann rufen und sah ihn bereits auf sich zukommen. Er trug einen Beutel über der Schulter, den er vorsichtig zu Boden stellte. »Ein Prachttag, findet Ihr nicht?«, fragte er fröhlich.
»Doch jetzt seht Euch diese Ware an!« Er öffnete seinen Beutel und holte die in ein Tuch gewickelten ersten Knöpfe aus Elfenbein hervor. Einige waren klein und dünn geschliffen und färbten sich rosa, wenn Franziska den Finger darunterlegte, andere waren größer und kunstvoll gerändert, für Oberkleider aus hellen Stoffen, wie Franziska fand.
»Die kleinen sind Hemdknöpfe, am besten für Brusttücher, die man unter dem Mieder trägt«, stellte sie fest und nickte anerkennend. Schließlich entfuhr ihr ein kleiner Freudenschrei, als sie die runden Knöpfe aus Bernstein erblickte. »Du hast nur Löcher in die Kugeln gebohrt, sonst nichts?«
»Ein bisschen poliert noch, mehr war nicht nötig. Wir sollten bei diesem Material beim Schneiden sehr gut aufpassen, um möglichst viel von der natürlichen Oberfläche zu erhalten. Euch selbst steht die Farbe übrigens vortrefflich.«
Franziska hatte die honigfarbenen Stücke vom ersten Moment an geliebt und sah nun verzückt, wie das Sonnenlicht sich darin brach und sie geheimnisvoll von innen zu leuchten schienen. Sie ließ sich gerade ein Kleid in Braun- und gedämpften Goldtönen fertigen, und die Bernsteinknöpfe würden ihm den richtigen Aufputz geben.
»Erinnert Ihr Euch noch an das dunkle Holz, von dem wir einen kleinen Vorrat gekauft haben?«
Franziska nickte. »Dann seht her, was unsere Arbeiter daraus gemacht haben! Diese Stücke wären doch etwas für Karl von Montardier, falls er uns unbedeutenden Nürnbergern jemals wieder die Ehre geben sollte.« Er packte einige kleine, polierte Knöpfe aus tiefschwarzem Ebenholz aus, die mattseidig glänzten. Sie waren sehr schön und dezent, wenn auch nicht so kostbar wie Elfenbein und Bernstein.
»Dieses Holz ist leicht zu bearbeiten. Wenn es Euch genehm ist, fangen wir rasch damit an, größere Stückzahlen herzustellen. Damit können wir richtig Geld verdienen.« Er rechnete ihr vor, was er bereits mit seinem Bruder überschlagen hatte. Franziska nickte zufrieden.
Sie verbrachte den Rest des Tages in der Werkstatt und kontrollierte die Robe einer Adelsfrau, die sie Elsbeths Empfehlung zu verdanken hatte, als ein Bote erschien und einen anscheinend weit gereisten Brief überbrachte. Sie brach das Siegel, überflog das Schreiben und musste sich erst einmal setzen. Sie las den Brief ein zweites Mal, dann ein drittes. Konnte das wirklich wahr sein? Würde sie Karl und Maria bald wiedersehen?
VENEDIG Frühjahr 1302
Sich in der Lagunenstadt anzusiedeln war die richtige Entscheidung gewesen, um die modernen Knöpfe unter das südländische Volk zu bringen. Venedig war größer als Nürnberg, eine lebendige Stadt mit einer Vielzahl geistlicher und weltlicher Herren, die sich prunkvoll schmückten, und Damen, die gern schillernd auf sich aufmerksam machten. Die Häuser der Wohlhabenden waren mit kräftigen Farben gestrichen
Weitere Kostenlose Bücher