Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
schon wenige Tage später saß Trudbert auf Ditgurds Kutschbock.
*
Nele stand in der Schneiderstube und kontrollierte gerade ein paar feine Hemden, als eine blasse Franziska in der Tür erschien: »Mutter, ich glaube …« Sofort ließ Nele nach der Hebamme schicken und brachte ihre Tochter in ihre Wohnung. Sie bereitete saubere Tücher vor und hieß eine Magd, Wasser zu erhitzen. Natürlich hatte sie Angst. Sie wusste, dass fast jedes zweite Kind die Geburt oder die ersten Lebenstage nicht überlebte, ja dass auch der Tod einer Mutter im Kindsbett eine traurige Normalität war.
Die Hebamme, Bewohnerin des nahe gelegenen Frauenklosters, war eine warmherzige und kluge Frau in abgetragener, aber blitzsauberer Nonnentracht. Sie brachte sogar noch eine Gehilfin mit und einen Korb mit zahlreichen Arzneikräutern, teurem Olivenöl und einem kleinen Nähkästchen, »auch wenn Nähzeug in diesem Haushalt gewiss zu finden ist«, wie sie fröhlich lachend meinte. Jetzt war die Ordensfrau mit ihrer Schülerin in dem Schlafgemach, in dem Franziska aufgerichtet und gegen Kissen gestützt auf ihrem Bett lag, nur von einem dünnen Laken zugedeckt.
»Öffnet den Mund, mein Kind«, forderte sie Franziska auf. »Keinen Zahn verloren, das ist ein gutes Zeichen!« Die Schülerin nickte Franziska aufmunternd zu. Franziska lehnte sich zurück und wartete auf die nächste der Wehen, die jetzt in kurzen Abständen kamen.
Die Hebamme schickte nach warmem Wasser für die kupferne Wanne, die schon in dem Zimmer wartete.
Walram wartete vor der geschlossenen Tür des Schlafgemachs. Er überlegte, ob er mit seinen dreiundfünfzig Jahren nicht eher der Großvater des Kindes sein sollte. Vom Alter her konnte er auch der Urgroßvater sein, machte er sich bewusst und lachte leise auf. Ein lautes Schreien riss ihn schließlich aus seinen Gedanken. Zuerst erschrak er, doch nach wenigen Minuten öffnete Nele die Tür einen Spalt, damit er einen Blick in das Zimmer werfen konnte. Die Sonne schien durch das kleine Fenster. Er sah die erschöpfte Franziska, die ein kleines in Tücher gewickeltes Bündel an sich drückte. Er sah nur eine winzige rote Hand hervorstehen, die sich ein wenig bewegte, als Nele ihm schon wieder die Tür vor der Nase zuschlug.
PARIS Frühling 1301
Der französische Adel hatte Ludwig, der sich wieder Louis nannte, nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Natürlich duldete der König keinen Widerspruch gegen seine Entscheidung, und es war, wie den meisten Edelleuten auch einleuchtete, ein kluger und weitsichtiger Schachzug gewesen, die beiden Reiche durch mehr als eine Trauung zu verbinden. Jedoch war das Lehen, das Louis zugestanden wurde, ein Besitz, den einige Fürsten seit dem Tod des Grafen für sich selbst oder für ihren Erstgeborenen im Auge gehabt hatten. Aber König Philipp war schlau, er wusste, dass er den Mann, den der deutsche König als Unterpfand gesandt hatte, nicht mit einer ertragslosen Einöde abfinden durfte.
Das Lehen des verstorbenen Grafen von Clérot war bestens geeignet für den Günstling Albrechts. Eine stattliche Burg, Ländereien mit Ackerbau und Viehwirtschaft, kein legitimer Sohn oder Enkel, nicht einmal ein Neffe und darüber hinaus eine gräfliche Witwe, die mit dem König verwandt war und zu den von ihr erwarteten Auskunftsdiensten gehorsam genickt und Stillschweigen gelobt hatte. Vielleicht hätten sie oder einige der männlichen Verwandten, von denen der eine oder andere immer wieder Mitglied des königlichen Rates war, vernehmlich gemurrt, wenn der Bräutigam der gräflichen Tochter ein echter Deutscher gewesen wäre, aber streng genommen war der Mann ja Franzose, auch wenn er Ritter des deutschen Königs war. Der Name Montardier war bei Hof zudem nicht unbekannt. Er war zwar keiner der ganz großen im Reich, doch ein guter und unbefleckter. Bischof Montardier galt als aufgeklärter durchsetzungsstarker Politiker und nur sehr begrenzt als Gefolgsmann des Heiligen Vaters, eine Einstellung, die Philipp ihm gegenüber während eines persönlichen Gesprächs diskret gelobt und als wichtig für die Zukunft bezeichnet hatte. Louis de Montardier konnte somit von Kirche und Adel als taugliches Bindeglied zwischen den beiden Reichen akzeptiert werden, auch wenn Philipp in einem Zwiegespräch mit der verwitweten Gräfin hatte anklingen lassen, dass ja nur weniges auf dieser Welt von dauerhaftem Bestand sei. Auch dazu hatte die Frau genickt und dem Monarchen ein wissendes Lächeln
Weitere Kostenlose Bücher