Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
und überlegte, wie er diesen auf den neu angekommenen und aufgrund ihrer guten Beschäftigung zufriedenen Menschen aufbauen konnte. Er ließ noch vor dem Herbst ein rundes Dutzend winterfeste Hütten mit ausreichend Platz und ordentlichen Herden errichten, und die Aussicht, auch in der kalten Jahreszeit Beschäftigung und ein warmes Plätzchen zu haben, ließ die Menschen noch gewissenhafter und fleißiger arbeiten.
Als Franziskas Bauch sich schon deutlich wölbte, kam Ditgurd mit mehreren Fuhrwerken in die Stadt und machte wie bei all seinen Besuchen Franziska seine Aufwartung. Er brachte Neuigkeiten. Karl und Maria hatte es nicht lange in Meran gehalten. Sie waren weiter nach Italien gezogen, um den dortigen Markt zu studieren, wie Karl es ausgedrückt hatte. Ditgurd wollte später im Jahr in Venedig nach ihnen fragen, falls nicht ohnehin schon bei Hermann eine Nachricht wartete.
Hermann hatte sich mit seinem Ochsen- und Rosshandel weiter situiert. Karl hatte ihm etwas Geld zur Verfügung gestellt, und Hermann hatte einige Zuchttiere erworben und Land gepachtet. Eigentlich sollte Ditgurd ihm ja die Gemahlin mitbringen, doch Nele wollte nicht vor demHerbst zu ihm reisen, zu groß war die Neugierde auf das Enkelchen.
»Ich benötige deine Dienste«, sagte Franziska eines Abends zu ihm. Ditgurd hob neugierig die Augenbraue.
»Seit kurzer Zeit stelle ich Knöpfe her. Viele Knöpfe, um ehrlich zu sein. Einen großen Teil davon benötigen die Schneider hierzulande, denen ich die Knopftechnik im letzten halben Jahr vermittelt habe. Sie fertigen und verkaufen fleißig, und kaum ein Kleidungsstück, das eine Nürnberger Schneiderei verlässt, wird noch ohne Knöpfe geschlossen. Meine Erfindung hat sich endgültig durchgesetzt. Jetzt möchte ich auch andere Städte erobern und den Schneidern die Mode nahebringen. Und damit sie sie gleich anwenden können, musst du ihnen zum Vorteil deines Säckels meine Knöpfe verkaufen. Ganz einfach!«
Ditgurd ließ sich die Sache mit dem Knopfhandel genau erklären. Anerkennend nickte er mit dem dicken Schädel, als er die Möglichkeiten erkannte. Die Ware als solche war für einen Fuhrmann und fahrenden Händler ideal. Knöpfe konnten nicht verderben, waren einfach zu verpacken und zu transportieren und fanden auch auf gefüllten Karren immer noch ein passendes Plätzchen. Außerdem waren sie nicht so kostbar, dass sich Räuber und Diebe von ihnen anlocken ließen. Gern war er bereit, einige Säckchen mitzunehmen und auf den Märkten anzubieten, doch ohne passende Schneider, die sich auf ihre Verwendung verstanden, und ohne sichtbare Kleidungsstücke rechnete er der Mode in der Fremde nicht allzu viele Chancen aus. Fremdes wurde zwar oft interessiert betrachtet und staunend bewundert, aber nicht gekauft, wusste er aus Erfahrung. Es gelang Franziskadennoch, ihn zu überreden, die Ware mitzunehmen und damit gen Süden zu fahren. Dazu sollte er einige Kleidungsstücke mit sich führen, die sie in Marias, Karls, Hermanns und seiner eigenen Größe hatte fertigen lassen. Maria und Karl hatten bestimmt Ideen, wie man die Knopfmode auch südlich der Alpen bekannt machen konnte.
Allmählich begannen Franziskas Pläne aufzugehen. Herrschte zunächst noch geringe Nachfrage, so steigerte diese sich allmählich. Und im Lauf der Zeit brachten Fuhrleute, denen Ditgurd vom profitablen Knopfvertrieb vorgeschwärmt hatte, Anfragen von Schneidern aus dem ganzen Reich.
Schon als die ersten Erfolge der Knopfmanufaktur eintraten, fühlte Franziska sich nicht mehr in der Lage, den Weg zum Gutshof in einem schaukelnden Pferdewagen zurückzulegen, und überließ es Wernher, im Betrieb nach dem Rechten zu sehen und ihr laufend zu berichten. Sein kleiner Bruder Trudbert begleitete ihn nun immer öfter, und wie in der Schneiderei fand er bald einiges, das man verbessern konnte, und machte sich so auch in der Manufaktur nützlich. Ein bisschen musste man allerdings auf ihn achtgeben – er war in einem gefährlichen Alter und machte gern den jungen Mädchen schöne Augen.
Ditgurd, der sich den Knaben bei seinem letzten Besuch angesehen hatte, bot Franziska an, ihn auf seiner nächsten Fahrt mitzunehmen, um ihn das Wichtigste über Handel und Transportwesen zu lehren. Gleichzeitig könnte der junge Geselle in den fremden Städten die Knopfkleider ganz anders präsentieren als ein grobschlächtiger alter Fuhrmann. Obwohl der Junge im Betrieb schwer zu ersetzen war, gefiel Franziska die Idee, und
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