Die Köchin und der Kardinal
nur nicht mit den Blättern der Maiglöckchen verwechseln, die zur gleichen Zeit wuchsen. Schließlich hob Leander den Arm. Die Gruppe hielt an. Die Fallen wurden in der weiteren Umgebung ausgelegt, dann hieß es warten, womöglichden ganzen Nachmittag, denn die scheuen Tiere ließen sich bei Tag nur selten sehen. Die Männer schwärmten aus, um mit ihren Pistolen auf die Jagd zu gehen. Elisabeth hatte sich ein Messer und ein Säckchen mitgebracht, um Wildkräuter und Beeren zu sammeln. Was das wohl für eine Jagdgesellschaft war, die sie oben im Wald gehört hatten? Sie entfernte sich von den anderen und begann, Bärlauchblätter abzuschneiden. Zu ihrer Freude fand sie nahe einer Ansiedlung von Jungtannen massenhaft Speisemorcheln, die sie ebenfalls abzuschneiden begann. Sie tat sie in einen Beutel. Wie gut würden die zu einem Rehrücken oder zu einer gebratenen Hirschkeule schmecken! Das Wasser lief ihr im Mund zusammen. Wie sie da so gebückt am Boden kniete, hörte sie mit einem Mal ein lautes Rascheln im Gebüsch. Was konnte das sein? Sie drehte den Kopf und sah einen Reiter auf sich zu preschen. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, der Beutel fiel ihr aus der Hand. Es war Jakob. Er zügelte seinen Rappen, der sich aufbäumte, und kam vor ihr zum Stehen. Jakob sprang ab. »Mein Gott …«
»Jakob!«, rief sie und lief ihm entgegen. Er fing sie auf und schloss seine Arme um sie. Elisabeth erwiderte den Druck, doch dann warnte sie ihn: »Gib acht, dass dein Pferd nicht davonspringt!«
Er lachte. »Immer noch die praktische Elisabeth, die ich kennengelernt habe!«
Er setzte seinem Rappen nach, fing ihn ein und band ihn an einen Baumstamm. Jetzt trat er wieder auf sie zu, nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie behutsam.
»Nein, dass ich dir hier begegnen würde, hätte ich niemals gedacht«, meinte er. »Wo lebst du denn und von was?«
Elisabeth überlegte fieberhaft, ob sie ihm die Wahrheit sagen sollte. Vielleicht würde er sich von ihr abwenden, wenn er erfuhr, dass sie zu einer Räuberbande gehörte.
»Ich lebe in einer Hütte im Wald«, sagte sie, was ja zu einem Teil der Wahrheit entsprach.
»Das ist viel zu gefährlich für dich«, sagte Jakob. »Ich wollte, ich wüsste, wo ich dich unterbringen könnte.«
»Mir geht es gut dort, wo ich bin«, entgegnete sie.
»Ich muss weiter, Elisabeth, es könnte jeden Augenblick jemand von der Jagdgesellschaft auftauchen.«
»Du bist bei Hans Heinrich von Reinach, nicht wahr?«
»Ja, und es ist auszuhalten, wenn auch der Oberst-Zeugmeister selbst kaum auszuhalten ist«, sagte er. Er schaute sich um. »Komm doch morgen Abend an den Rhein«, meinte er und blickte ihr in die Augen. »Stell dir vor, ich habe Melvine und Paul wiedergefunden, vom ›Roten Ochsen‹ in Baden! Sie betreiben eine kleine Gaststätte, nicht allzu weit von Breisach entfernt. Du wirst sie nicht verfehlen.«
Mit diesen Worten band er sein Pferd los, stieg auf und ritt davon. Elisabeth nahm ihren Beutel an sich und stapfte durch dichtes Unterholz zurück zu den anderen. Kurz bevor sie die Stelle erreichte, an der sie die Männer verlassen hatte, krachte ein Pistolenschuss. Hoffentlich bemerkte das niemand von der Jagdgesellschaft! Sie sah Leander, der vor einem ausgewachsenen Wildschwein stand. Die anderen umringten ihn. Das Tier, offensichtlich eine Bache, war schon verendet.
»Ihr habt ein Wildschwein geschossen?«, rief Elisabeth ihnen freudig erregt zu.
»Wir hatten eine Falle bei einer der Suhlen aufgestellt«, entgegnete Leander. »Nach einer Stunde kamen sie aus der Deckung, und die hier ist in die Falle gegangen. Ich habe sie mit einem Genickschuss erledigt.«
»Waren keine Frischlinge bei ihr?«, wollte Elisabeth wissen.
»Um die machen wir uns keine Sorgen«, erwiderte Martin. »Die werden von den anderen Bachen mitversorgt.«
Martin lud sich das Tier auf den Rücken, Blut floss an seinem Gewand herab. Als sie ihren Lagerplatz erreicht hatten, machten sich Leander und Martin daran, dem Schwein die Haut abzuziehen. Das Fell würden sie trocknen und gerben, um es alswärmende Unterlage nutzen zu können. Leander und Martin hängten das Wildschwein an einen starken Ast, und Elisabeth zerlegte es mit einem scharfen Messer. Herz und Leber legte sie in eine Schüssel. Als Nächstes löste sie Lenden, Keulen und Koteletts aus. Mit einem Beil zertrennte sie die Knochen. Das Bauchfleisch würde noch ein gutes Gulasch ergeben. Lenden und Keulen briet sie mit der restlichen
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