Die Köchin und der Kardinal
Breisach zu nahe gekommen wäre. Nach einiger Zeit sah sie eine Bretterhütte vor sich stehen. Davor waren Tische und Bänke aufgestellt. Die Sonne stand schon recht tief über der Kette der Vogesen. Elisabeth gab sich einen Ruck und klopfte an die Tür der Hütte. Die Tür wurde aufgerissen, und Elisabeth schaute in Melvines kugelrunde Augen. Gleich darauf nahm die Wirtin sie in die Arme und drückte sie so heftig, dass es Elisabeth fast den Atem nahm. Endlich ließ Melvine sie los. Sie hatte Tränen in den Augen.
»Paul, komm mal schnell«, rief sie über die Schulter hinweg in die Hütte hinein. »Und sieh, wer zu Besuch gekommen ist!« Sie schniefte.
Paul kam jetzt ebenfalls an die Tür. Er nahm Elisabeths Hände und schwenkte sie hin und her.
»Dass ich das noch erleben darf«, murmelte er.
»Das Wiedersehen müssen wir feiern«, sagte Melvine bestimmt. »Setzt Euch schon mal an einen der Tische, Elisabeth, ich hole Wein und Wasser.«
Bald saßen sie zusammen und erzählten sich gegenseitig, was sie seit der Zeit in Baden erlebt hatten.
»Wir hatten kein Auskommen mehr in dem Städtchen«, sagte Paul. »Die neuen Herren, die Katholiken, verboten alles, was den Leuten bisher Freude gemacht hatte. Die Bäder wurden geschlossen, so dass auch keine Gäste mehr kamen, wir mussten unsere Wirtschaft um neun Uhr abends schließen, an Sonntagen durften wir schon gar nicht öffnen.«
»Und da sind wir nach Durlach gezogen, wo der Markgraf residierte«, warf Melvine ein. »Aber da war es auf Dauer auch nichts.«
»Habt Ihr Hermine, meine Magd, dort gesehen?«, fragte Elisabeth.
»Ja, aber sie ist zusammen mit dem Markgrafen woanders hingegangen, auf die französische Seite, glaube ich.«
»So waren wir mal hier, mal dort, und sind schließlich hier gelandet«, schloss Paul.
»Habt Ihr denn ein Auskommen?«, wollte Elisabeth wissen. Melvine seufzte. »Wenn nicht immer wieder der Oberst mit seinen Leuten kommen würde, könnten wir davon nicht leben«, meinte sie.
»Na ja, ein paar der reicheren Bürger von Breisach und Burkheim kommen auch öfter vorbei«, stellte Paul fest.
»Wie ist es Euch denn ergangen, Elisabeth?«, wollte Melvine wissen.
»Ach, was soll ich erzählen, das ist eine lange Geschichte.«
»Wir wollen sie hören«, meinte Paul und prostete ihr zu. Die Sonne war inzwischen hinter dem Kamm der Vogesen versunken.Mückenschwärme stiegen vom Rhein auf. Elisabeth spürte einen Stich und schlug nach dem lästigen Insekt.
»Zusammen mit Agnes und dem Kardinal war ich eigentlich überall und nirgends«, begann sie. »Erst einmal sind wir mit Kardinal Weltlin nach Straßburg, dann ging es ins Kloster Lichtenthal und darauf nach Paris und Burgund. Zuletzt war ich in Rheinfelden.«
»Seid Ihr nicht mehr die Köchin des Kardinals?«, wollte Melvine wissen.
Elisabeth schluckte. »Wir … haben uns entzweit«, sagte sie leise.
»Dann ist es wohl kein Wunder, dass die Neuigkeit umgeht, der Kardinal lebe jetzt mit einer Mätresse in Straßburg«, warf Paul ein.
Elisabeth wäre fast ihr Weinbecher aus der Hand gefallen.
»Davon weiß ich nichts«, antwortete sie.
Jetzt hatte Agnes also ihr Ziel, Mätresse eines hochgestellten Mannes zu werden, erreicht!
In Elisabeths Magen begann sich ein Knoten zu bilden. Agnes hatte sie nicht nur beim Kardinal denunziert, sondern schon viel früher bei König Ludwig XIII., als es um die Lutherbibeln ging.
»Schade, Kardinal Weltlin war so ein reizender Mann«, plauderte Melvine weiter. »Ich dachte immer, der hätte ein Auge auf Euch geworfen.«
Hat er ja auch, dachte Elisabeth. Vom Weg her war Hufgeklapper zu hören. Jakob kam herangetrabt, zügelte sein Pferd und sprang ab. Er band es an einem Baum fest und kam zu ihnen herüber. Jakob gab den Wirten die Hand und umarmte Elisabeth. Melvine verschwand in der Gaststube und kam wenig später mit einer Öllampe sowie einer Platte geräuchertem Aal und schwarzem Brot heraus.
»Es war gar nicht einfach, mich von der Festung loszueisen«, erzählte Jakob und langte herzhaft zu. Elisabeth hatte zwar immernoch Bauchweh, aber dem feinen Duft des Aals konnte sie nicht widerstehen.
»Ich habe schließlich gesagt, ich müsse dringend Fisch von Melvine und Paul für die Belagerung besorgen. Die Mägde könnten das, was nicht gleich verbraucht würde, trocknen und für Notzeiten bereithalten.«
»Heute Morgen hat uns der Fischer erst wieder eine ganze Ladung gebracht«, sagte Paul. »Hechte, Forellen, Karpfen, Zander und
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