Die Köchin und der Kardinal
Freiburg«, setzte Leander dagegen. »In meiner Jugend habe ich einige davon kennengelernt.«
»Als was?«, fragte Daniel. »Als Sängerknabe für die Nonnen?«
Leander gab ihm einen Nasenstüber.
»Daniel, der Possenreißer mit der Sackpfeife«, gab er zurück. »Nein, im Ernst, mein Vater war ja Lehrer, wie ich euch erzählt habe. Den habe ich oft begleitet, wenn er den Novizinnen etwas vorgetragen hat.«
»Welche Klöster wären das?«, wollte Elisabeth wissen.
»Ich habe eins vergessen«, räumte Leander ein. »Das Dominikanerkloster gleich hier in der Nähe, in Unterlinden. Waren die beiden Männer nicht wie Dominikaner gekleidet?«
Sie kamen überein, dass Leander an der Klosterpforte klopfen und nach einem Buch fragen sollte, das sein Vater einst dort in der Bibliothek vergessen hatte.
35.
Auf dem Rückweg zur Burg sah Jakob mehrere Leichenwagen, die sich in Richtung Friedhof bewegten. Wieder wehte ihn der Verwesungsgeruch an. Sein Magen revoltierte.
»Immer mehr Menschen sterben am Hunger«, sagte er zu Agnes. »Wenn diese Belagerung einmal ein Ende hat, wird von Reinach vor Gott und der Welt dastehen wie der Leibhaftige selbst!«
»Ich will nicht sterben«, antwortete Agnes. Ihr kleines Gesicht mit den übergroßen Augen war bleich. »Mit meinen Eltern und meinem Bruder will ich wohl teilen, nicht aber mit allen Menschen, die hier leben!«
»Ich werde mit dem Kommandanten sprechen, ob er sich nicht ergeben will«, meinte Jakob.
Er fand von Reinach in seiner Stube. Der Kommandant stand an seinem Pult und zählte Goldgulden und Reichstaler in einen Beutel. Seine Augen waren wie immer blutunterlaufen.
»Du scheinst ja noch recht gut bestückt zu sein«, sagte Jakob. »Warum spendest du nicht etwas davon an die Armen? Die Lebensmittel werden immer teurer. Und du bist der Einzige, der sich noch etwas leisten kann.«
»Das geht dich überhaupt nichts an!«, schnaubte der Kommandant. »Es gibt genug Bürger in der Stadt, die sich noch etwas leisten können. Und die spenden ja für die Armen, und ich tue es auch.«
»Warum sterben dann täglich mehr?«
»Sie ernähren sich falsch«, behauptete der Kommandant. »Wie kann man gesund bleiben, wenn man Ratten und Hunde isst und Salzwasser trinkt?«
Jakob merkte, wie ihm die Zornesröte ins Gesicht stieg. »Wenn sie doch nichts anderes haben und die teuren Preise nicht bezahlen können! Du solltest aufgeben, Hans Heinrich, im Namen des gerechten Gottes und der Bürger dieser Stadt! Gib den Widerstand auf. Sie werden uns völlig aushungern, und du hast all die Menschen auf dem Gewissen!«
Der Kommandant richtete sich zu seiner vollen Größe auf. »Das sagst du mir? Wem hast du es denn zu verdanken, dass du jeden Tag genug zu essen bekommst, dazu noch deinen Sold? Ich könnte dir das alles auch streichen! Dann kannst du sehen, wie du zurechtkommst!«
»Zugegeben, aber das hindert mich nicht daran, unser Tun als verwerflich anzusehen.«
»Wenn es dir bei mir nicht mehr gefällt, kannst du ja zu denen da draußen überlaufen. Die werden dich mit Kusshand nehmen.«
»Nein, die werden mich sofort erschießen oder aufknüpfen, das weißt du so gut wie ich selbst. Wir müssen uns ergeben, Hans Heinrich, da beißt die Maus keinen Faden ab.«
Der Kommandant begann, in dem Raum auf und ab zu gehen. Der Boden knirschte unter seinen schweren Tritten.
»Es gibt keinen Grund, an so etwas überhaupt nur zu denken«, sagte er und blickte Jakob herausfordernd an. »Bernhard von Sachsen-Weimar liegt krank in Colmar darnieder. Er hat einem seiner Generäle den Oberbefehl übergeben. Mein General hat versucht, uns mit sieben Reiterregimentern Lebensmittel zu bringen, das ist gescheitert. Aber es werden weiterhin Schlachten geschlagen, wir haben unsere Heere, die Beute machen und uns entsetzen werden.«
»Aber wie lange soll das noch dauern, Hans Heinrich? Bis die letzten Schlachten geschlagen sind, werden alle Bürger dieser Stadt verhungert sein! Setz dem ein Ende, ich flehe dich an!«
Ein Grinsen machte sich im Gesicht des Kommandanten breit. »Es wird schneller gehen, als du denkst! Ein Bote überbrachte mir heute Morgen die Nachricht, dass Kardinal Weltlindurch Mittelsmänner des Kaisers und des Papstes entführt worden sei. Das wird noch einmal zusätzlichen Druck auf Bernhard ausüben.«
Jakob erschrak zutiefst. »Kardinal Weltlin? Und der Kaiser glaubt tatsächlich, damit die Belagerung aufheben zu können?«
»Wenn Bernhard sich nicht zurückzieht, wird
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