Die Köchin und der Kardinal
sich Jakobs Angst, dass die Bürger eindringen und Ferdl schlachten und verspeisen könnten, als unbegründet erwies. Mit den Pferdeäpfeln hatte er sein Gemüsebeet gedüngt, das er aus den Samen von Elisabeth angelegt hatte. Doch die Beete waren inzwischen abgeerntet. Im Garten der Burg wuchs noch genügend Gras für die Pferde, die Tenne war mit Heu gefüllt. Agnes hielt ihr Wort und versorgte ihre Familie mit dem, was von den Gelagen des Kommandanten übrigblieb. Sie schwankte zwischen den Gunstbeweisen des Kommandanten und ihrer angeblichen Liebe zu Jakob hin und her. Es widerte Jakob von Tag zu Tag mehr an. Er wusste auch nicht, was aus dem entführten Kardinal geworden war. Bernhard war immer noch krank, es gab niemanden, der Verhandlungenhätte führen können. Als der Oktober kam, wurde das Brot nur noch aus Eichenrinde gebacken, die Hälfte der Bevölkerung war gestorben. Die Leichen fanden kaum noch Platz auf den Friedhöfen. Vielerorts wurden sie einfach über die Mauern geworfen. Jakobs Mut sank von Tag zu Tag mehr, er konnte den Gedanken nicht mehr ertragen, dass sich viele seit Wochen nur mit warmem Wasser und Salz ernährten und dann schnell dahinstarben. Über zweitausend Menschen waren schon zugrunde gegangen. Jakob hatte gehört, dass angeblich immer wieder Kinder verschwanden und nie mehr gesehen wurden. Seuchen breiteten sich aus. Nur in der Burg gab es weiter reichlich zu essen, die Ställe waren gefüllt mit Kühen und Schweinen, den letzten, die aus der Stadt zusammengekauft worden waren. Der Kommandant ließ es sich nicht nehmen, weiterhin rauschende Feste zu feiern. Agnes stand ihm dabei hilfreich zur Seite und wusste sehr wohl ihre körperlichen Reize einzusetzen. Von Reinach berichtete seinen Offizieren von den Rettungsversuchen des Kaisers.
»Sie haben ein Heer von zehntausend Mann aufgestellt, um uns zu entsetzen«, sagte er mit Siegesmiene.
»Aber Bernhard marschiert jetzt schon von Colmar nach Breisach«, setzte einer seiner Offiziere entgegen.
Ende Oktober griffen die Kaiserlichen an, wurden aber bis hinter Freiburg zurückgedrängt. Es gab schwere Verluste. Jakob war bei dem Kommandanten von Reinach, als der die Aufforderung zur Kapitulation erhielt. Der Kommandant lehnte ab, musste dann jedoch seine Außenwerke aufgeben. Ein zweiter Versuch scheiterte ebenfalls, weil die Kuriere abgefangen wurden. Eines Tages überraschte Jakob den Kommandanten, wie er in einer Truhe wühlte, die mit Golddukaten, Reichstalern und Gulden gefüllt war bis obenhin.
»Was sehe ich da, Hans Heinrich?«, rief Jakob wutentbrannt. »Du zählst hier riesige Mengen Geldes, derweil deine Stadt zerstört und ihre Bürger schon großenteils gestorben sind?«
Hasserfüllt richtete von Reinach seine roten Augen auf Jakob. »Jetzt reicht’s aber, du elender Wicht! Das sind liebe und teure Erinnerungsstücke an die Schlachten, die ich geschlagen habe! Ein großer Teil stammt von der Belagerung der Hochburg, du hättest sehen müssen, in welchem Reichtum die da gelebt haben! Warum soll ich mich nicht an dem Geld erfreuen? Den Leuten hier in Breisach würde es auch nichts nützen, wenn ich mich für sie an den Bettelstab bringe!«
»Das Geld wurde im Krieg erbeutet. Du hast die Pflicht, für die Menschen hier zu sorgen.«
»Die habe ich nicht«, dröhnte der Feldzeugmeister von Reinach. »Jeder ist sich selbst der Nächste.«
»Und du würdest ja sogar deinen eigenen Sohn auffressen, wie du gesagt hast.«
Von Reinach lachte, dass es von den Wänden widerhallte.
»Die Leute in der Stadt fressen sich eh schon gegenseitig auf«, sagte er dann heiser. »Da würde das auch nicht mehr ins Gewicht fallen.«
Jakob rang mit sich. Keinen Moment länger durfte er in den Diensten eines solchen Unholds stehen! Er fasste einen Entschluss. Er würde sich selbst als Geisel für den Kardinal anbieten. Und zwar ohne den Kommandanten vorher zu fragen. Was dann aus Agnes wurde, war ihm zwar alles andere als gleichgültig. Doch sie würde sich schon durchschlagen. Für ihre Eltern und ihren Bruder würde sie weiterhin sorgen. Um seinen Rappen Ferdl machte er sich weit größere Gedanken. Einige Tage lang überlegte er seinen Plan. Dann schritt er zur Tat. Er übergab Ferdl der Obhut eines Knechtes, dem er vertraute. In der Nacht nahm er sein weißes Betttuch, ließ es aus dem Fenster hängen und schwenkte es hin und her. Er steckte das Leintuch auf einen Stock und schlich sich vorsichtig durch die Burg, bis hinunter in den
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