Die Köchin und der Kardinal
der Kardinal sterben.«
Jakob dachte an die letzte Begegnung, die er mit dem Kardinal gehabt hatte. Er musste verhindern, dass Hand an ihn gelegt wurde! Aber von diesen Überlegungen durfte der Kommandant auf keinen Fall etwas merken.
»Wie ist denn der Bote in die Festung hereingekommen?«, fragte er deshalb.
»Es gibt nicht nur einen Weg, aus der Burg hinaus- und wieder hereinzukommen«, entgegnete der Kommandant. »Aber ich verrate dir nicht, wo der ist. Nachher haust du noch ab, zusammen mit Agnes, meinem Täubchen.«
Es klopfte hart und drängend an der Tür. Draußen stand ein Soldat.
»Es ist wieder ein Bote gekommen«, sagte er. »Eine weitere Ladung mit Lebensmitteln ist in die Hände der Feinde gefallen!«
»Gottverdammich!«, schrie der Kommandant. »Was ist mit unseren Wegen? Können nicht die Bauern der Umgebung uns darüber versorgen? Es fehlen Eier, es fehlt an Mehl, es fehlt an allem!«
Bloß nicht an Wein, dachte Jakob. Den Nachmittag verbrachte er damit, unauffällig nach einem zweiten Geheimgang zu suchen. Beim ersten war der Ausgang durch Wachen verstärkt worden, wie er wusste. Doch er fand nichts. Vielleicht war das Hirn des Kommandanten auch schon so vernebelt, dass er sich bloß einbildete, es gebe noch einen zweiten Ausgang. Jakob begab sich in sein Gemach, stützte den Kopf in die Hände und merkte, dass er immer verzweifelter wurde.
Leander war von seinem Besuch im Dominikanerkloster zurückgekehrt.
»Sie haben mich zwar hineingelassen«, berichtete er. »Und ich durfte auch in die Bibliothek. Aber ich habe nichts Verdächtiges entdecken können.«
»Vielleicht sollten wir noch einmal bei Nacht dort vorbeischauen und alles gründlich untersuchen«, schlug Daniel vor.
»Dabei ist die Gefahr einer Entdeckung zu groß«, entgegnete Leander. »Es ist ja auch nicht einmal gesagt, dass der Kardinal dort gefangen gehalten wird. Er kann überall sein.«
»Und wahrscheinlich werden wir ihn nirgends finden«, ergänzte Elisabeth. Sie horchte in sich hinein. Wer war ihr nun wichtiger, der Kardinal oder Jakob in der Festung Breisach? Beiden konnte sie nicht helfen. Wen liebte sie mehr? Elisabeth wusste es nicht. Sie fühlte sich mit einem Mal so grenzenlos ohnmächtig und müde, dass sie sagte: »Ich gehe jetzt zum Johanniterhaus, ich kann nicht mehr, ich muss in Ruhe nachdenken.«
Elisabeth ging in ihr Zimmer, warf sich auf das Bett und weinte. Sie schluchzte immer heftiger, wühlte ihren Kopf in das Kissen hinein, biss in das Bettzeug, warf sich hin und her. Als ihre Tränen versiegten, waren die Schatten im Zimmer schon länger geworden. Sie dachte an die erste Begegnung mit Jakob, an die letzten vier Jahre, an alles, was seit dem Überfall in Calw mit ihr und den anderen geschehen war. Immer waren sie auf der Flucht gewesen, wie Tiere hatten die Kaiserlichen sie durch den Schwarzwald gehetzt. Jetzt hatte sie niemanden mehr außer den Spielleuten, Melvine und Paul. Aber war das nicht sehr viel? Hatten die ihr nicht ständig geholfen, ohne an einen eigenen Vorteil zu denken? Getröstet und gestärkt erhob Elisabeth sich von ihrem Lager. Sie würde sich an ihre Freunde halten. Mit dem Kochen war es sowieso vorbei, jeder musste schauen, etwas Essbares für sich zu ergattern. Die Offiziere würden sich schon zu helfen wissen. Elisabeth glättete ihr zerdrücktes Kleid,wusch sich das verweinte Gesicht im Brunnen auf dem Hof, brachte ihr Haar mit einem Kamm in Ordnung und spazierte mit energischen Schritten zum »Roten Bären«, wo die Spielleute sich schon versammelt hatten. Es waren keine weiteren Gäste da, selbst die Reichen fürchteten sich inzwischen, bestohlen zu werden, wenn sie ausgingen. Zusammen mit Melvine und Paul berieten Elisabeth und ihre Gefährten über weitere Schritte, die sie unternehmen könnten. Der September ging vorüber, ohne dass es ein Lebenszeichen vom Kardinal gegeben hätte. Irgendwann gaben Elisabeth und ihre Freunde es auf, nach ihm zu suchen. Die Nächte waren kühler geworden. An den Tagen schien die Luft wie aus Samt. Immer wieder kam es in der Gegend zu Scharmützeln, bei denen es Verluste auf beiden Seiten gab. Immer wieder wurden Rinderherden oder Lebensmittel erbeutet und fielen dann wieder an den Feind.
In der Festung Breisach wurde die Lage von Tag zu Tag verheerender. Es gab kein Mehl mehr, so dass die Bäcker Brot aus reinem Eichelmehl backen mussten. Selbst ein Teil der städtischen Pferde war aufgegessen. Doch das Burgtor war gut bewacht, so dass
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