Die Köchin und der Kardinal
immer näher. Schon hörte sie ihren keuchenden Atem hinter sich. Mit einem Schrei wachte Elisabeth auf. Ein lautes Klappern drang an ihre Ohren. Der Fensterladen draußen bewegte sich hin und her. Sie sprang auf und lief zum Fenster. Ein Sturm war aufgekommen, er fuhr von den Höhen des Schwarzwaldes herab und riss Blätter, Zweige und Sand mit sich. Im Garten wirbelte ein Strauß von gelben Blättern im Kreis herum.
Beim Frühstück geschah dann das Unerwartete. Der Markgraf räusperte sich so laut, dass alle Köpfe zu ihm herumfuhren.
»Mein Gärtner hat heute Morgen etwas in der Gartenlaube gefunden«, sagte er und blickte sich vielsagend um. Elisabeth wurde es heiß. Der Helm, der Harnisch und das Schwert! Warum hatten sie die nicht gleich mitgenommen? Jetzt würde gewiss ein peinliches Verhör im Schloss beginnen.
»Er wollte die Laube für den Winter herrichten«, fuhr der Markgraf fort. »Und was meint Ihr, was dort lag? Ein Helm, ein Harnisch und ein Schwert.« Sein Bart bewegte sich beim Sprechen auf und ab. »Weiß jemand von Euch, wem diese Dinge gehören könnten?«
Niemand antwortete ihm. Elisabeth schwitzte. Alle schauten in gespielter Gleichmütigkeit zum Fenster hinaus oder auf ihre Teller.
»Dann will ich es Euch sagen«, meinte der Markgraf. »Siegehörten oder gehören einem Söldner, besser gesagt einem Hauptmann. Und ich vermute, es ist nicht einer aus unseren Reihen.«
»Ihr meint, dass ein feindlicher Söldner in unserem Garten logiert hat?«, fragte der Kardinal mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Genau das meine ich«, entgegnete der Markgraf. »Wie kann sich der Feind in eine belagerte Stadt geschlichen haben, ohne entdeckt zu werden? Wovon hat er sich ernährt? War er verwundet? Der Gärtner sagt, es seien Blutspuren in der Laube gewesen. Wie konnte er die kalten Nächte überstehen?«
Der Kardinal beugte sich vor und sagte mit fester Stimme: »Ich glaube schon, dass es möglich ist, sich in die Stadt zu schleichen. Schließlich hattet Ihr, Herr Markgraf, ja auch einen Späher, der über die Belagerer berichtete. Inzwischen wird der feindliche Söldner längst das Weite gesucht haben.«
Elisabeth fiel ein Stein vom Herzen. Der Markgraf und die anderen schienen mit dieser Erklärung zufrieden zu sein. Was aber wäre gewesen, wenn der Markgraf angeordnet hätte, die ganze Stadt zu durchsuchen? Elisabeth schüttelte ihre Gedanken ab und sah zu Agnes hinüber. Deren Miene war undurchdringlich. Konnte Elisabeth es wagen, nach diesem Vorfall in den »Roten Ochsen« zu gehen und mit Jakob zu sprechen?
Nach dem Frühstück begab sie sich zum Arbeitszimmer des Kardinals. Sie würde sich bei ihm, als seine Leibköchin, persönlich abmelden müssen, wenn sie in die Stadt auf den Markt ging. Auch hier klapperten die Fensterläden im Sturm.
»Ich muss noch ein paar Köpfe Rotkraut als Beilage für das gekochte Ochsenfleisch besorgen«, sagte sie.
»Lasst Euch nicht aufhalten«, antwortete der Kardinal und zwinkerte ihr zu. Was hatte dieses Zwinkern wieder zu bedeuten? Ahnte er doch etwas? Du hörst das Gras wachsen, schalt sie sich, knickste und verließ den Raum. Rasch lief sie in ihr Zimmer, zog sich für den Stadtgang an, holte einen Korb ausder Küche und trat aus der Haupttür des Schlosses heraus. Am Himmel jagten schwere graue Wolken, der Anprall des Windes ließ Elisabeth zurücktaumeln. Es roch nach faulem Laub und Nässe. Sie zog sich die Kapuze ihres Mantels vor das Gesicht, stemmte sich gegen den Wind, drückte ihren Korb fester an sich und durchquerte das Tor. Langsam stieg sie die Treppe zur Stadt hinab. Die Blumen der Grünanlage sahen ganz zerzaust aus, Blütenblätter lagen verstreut am Boden oder tanzten umher. Elisabeth erreichte den »Roten Ochsen« ganz außer Atem.
»Kann ich ihn sehen?«, fragte sie Melvine, die allein in der Küche stand und das Mittagessen vorbereitete.
»Er ist oben, es geht ihm gut«, antwortete die Wirtin. »Der Bader war gestern Nacht noch da und hat ihn versorgt. Er ist in dem Raum, in dem die Schweden waren.«
Elisabeth eilte die Stufen zu der Kammer hinauf und klopfte an die Tür. Drinnen polterte es, als ob etwas zu Boden gefallen wäre.
»Kommt herein, Elisabeth«, hörte sie Jakob sagen. Er bückte sich gerade nach seinem Dolch. Vor ihm auf dem Tisch standen die Reste des Frühstücks, das ihm Melvine bereitet hatte. Elisabeth reichte ihm die Hand. Sie sah, dass sein Hals frisch verbunden war.
»Ich kann leider nicht lange bleiben«,
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