Die Köchin und der Kardinal
Gäste.«
Die beiden am Tisch winkten Paul, um zu zahlen, erhoben sich und verließen mit Grußworten das Lokal.
»Jetzt sind wir unter uns«, sagte Paul. »Kommt, setzt Euch, ich gebe ein Bier aus. Melvine, bring mal drei Krüge Bier. Oder vier«, fügte er hinzu, als er ihre enttäuschte Miene sah. Melvine zapfte das Bier aus dem großen Fass, brachte die Krüge zum Tisch und setzte sich zu ihnen.
»Ich würde Euch gerne helfen«, sagte Elisabeth. Sie hatteeinen Einfall. »Ihr könnt nicht warten, bis neue Söldner in die Stadt kommen.« Sie warf einen Seitenblick auf Hermine.
»Ich hätte da einen Gast für Euch, für den ich gut zahlen könnte«, sagte sie.
Hermine sah sie erst ungläubig, dann freudig überrascht an.
»Es ist ein Söldner, der verletzt ist«, fuhr Elisabeth fort. »Auf dem Schloss werden Personen, die nicht adligen Geblütes sind, nicht geduldet.« Elisabeth wunderte sich über sich selber, dass sie lügen konnte, ohne rot zu werden. Aber in einem Gasthof unterzukommen, musste selbst für Jakob angenehm und weniger demütigend sein, als sich in der kalten Laube verstecken zu müssen.
»Den Bader, der nach ihm sehen sollte, bezahle ich selbstverständlich auch.«
Die Gesichter der Wirtsleute waren voller Hoffnung.
»Und wie wollt Ihr ihn hierherschaffen?«, fragte Paul.
»Wir haben doch ein kleines Ochsengespann«, ließ sich Melvine vernehmen.
»Kommt heute Nacht, wenn der Wächter die zwölfte Stunde verkündet, mit dem Wagen zum Fuß des Hügels, auf dem das Schloss liegt.«
»Und wie sollen wir …?«, fragte Hermine zaghaft.
»Das lasse nur meine Sorge sein«, beschied Elisabeth.
Sie unterhielten sich noch eine Weile mit den Wirtsleuten. Bevor sie sich verabschiedeten, schob Elisabeth Paul einen Goldgulden über den Tisch.
Den Rest des Nachmittags verbrachten die beiden auf dem Markt und in der Therme.
Zur Abendbrotzeit eilten sie den Weg zum Schloss wieder hinauf. Die Höflinge begaben sich gerade zum Speisezimmer, angeführt vom Markgrafen und dem Kardinal.
»Nun, habt Ihr Eure freie Zeit gut genutzt?«, fragte der Kardinal Elisabeth.
»O ja, wir sind durch die Stadt gegangen und haben ein Bad in der Therme genommen«, beeilte sie sich zu sagen.
Ihr war es, als würde er den Duft, der von ihr ausging, einsaugen. Sie ließen sich am Tisch nieder. Es gab Hühnerbrühe mit Kastanien, Gehacktes im Teigmantel und zum Nachtisch Rosenblütenpudding.
»Es ist gut, aber Ihr kocht viel besser als der Beikoch vom Markgrafen«, flüsterte der Kardinal ihr zu. Nachdem die Tafel aufgehoben war, folgte Elisabeth dem Kardinal in sein Arbeitszimmer. Im Kamin brannte ein wärmendes Feuer.
»Was ich Euch jetzt zeige, ist eine bahnbrechende Entdeckung«, sagte er und ging zu seinem Schrank aus Nussbaumholz. Er holte einen stählernen, länglichen Gegenstand heraus.
»Es ist das astronomische Fernrohr, das von Kepler erfunden wurde«, sagte er. »Das besteht aus zwei Linsen, die als Objektiv und Okular bezeichnet werden. Das Licht tritt in das Objektiv ein, wird im Objektiv und im Okular gebrochen und erreicht danach unser Auge.«
Er trat ans Fenster und winkte Elisabeth heran. Draußen war inzwischen die Dunkelheit herabgesunken, Sterne blinkten über den Bergen des Schwarzwaldes auf. Der Mond war verschwunden. Der Kardinal hielt ihr das Fernrohr hin, und sie schaute hindurch. Ein Stern überstrahlte alle anderen.
»Das ist der Jupiter«, erklärte der Kardinal. »Ein riesiger Planet, der wie unsere Erde um die Sonne kreist, Glanzpunkt des herbstlichen Sternenhimmels. Am Abend steigt er am Osthimmel empor, um Mitternacht steht er hoch im Süden, und gegen Morgen verschwindet er langsam im Westen.«
Elisabeth war ergriffen. So etwas hatte sie noch nie gesehen.
»Und wir kreisen zusammen mit ihm um die Sonne?«, fragte sie. »Ich sehe sie aber immer im Osten aufgehen und im Westen untergehen.«
»Der Schein trügt«, meinte der Kardinal. Er stand so dicht hinter ihr, dass seine Soutane ihr Kleid berührte. Diese Nähe beruhigte und verwirrte Elisabeth gleichzeitig.
»In Wahrheit drehen wir uns um die Sonne. Diese Wahrheitwird allerdings von unserer Kirche nicht anerkannt. Papst Urban XIII. ist den Gedanken gegenüber zwar sehr aufgeschlossen, aber er musste Galileo Galilei, der die Thesen des Kopernikus vertrat, dazu bewegen, seine Erkenntnisse zu widerrufen. Galileo lebt jetzt, krank und alt, auf dem Land in Arcetri bei Florenz. Noch im Jahr 1610 wurde Giordano Bruno, ebenfalls ein
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