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Die Köchin und der Kardinal

Die Köchin und der Kardinal

Titel: Die Köchin und der Kardinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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hatte.
    »Und gebt acht auf Euch und auf Eure Schwester!«, bat er dringlich.
    Elisabeth und Agnes standen zusammen mit den anderen auf der Terrasse des Schlosses und schauten ihm nach, wie er in seine Kutsche stieg, und dann, von bewaffneten Reitern begleitet, die langgestreckte Auffahrt hinunterfuhr. Wer wusste, zu welchen Mätressen sich der Kardinal nun begab, schließlich hatte er sie auch nicht dazu aufgefordert, mitzukommen. Es sei zu gefährlich, hatte er auf ihre diesbezügliche Frage geantwortet. Einer der Reiter setzte eine Sackpfeife an den Mund und blies eine leise, wehmütige Melodie. Elisabeth schaute dem Wagen nach, bis er hinter den Badehäusern verschwunden war. Er würde aus dem Ooser Tor hinaus rollen, in die entgegengesetzte Richtung, die Jakob genommen hatte, dem Flüsschen Oos folgen und sich dann nach Südwesten wenden, den Rheinüberqueren und durch das Elsass Straßburg zu fahren. Sie fühlte sich mit einem Mal sehr allein. Agnes war ihr kein Trost, schließlich musste sie ständig auf ihre Schwester achtgeben, dass sie nicht wieder etwas Törichtes anstellte. Um sich abzulenken, ging Elisabeth in die Küche, wo die Mägde und Agnes mit dem Schälen von Karotten und Zwiebeln beschäftigt waren. Agnes hatte eine mürrische Miene aufgesetzt. Elisabeth holte sich ein Schneidebrett, schnitt Zwiebeln, damit niemand bemerkte, dass ihr die Tränen über das Gesicht rannen. Im Laufe des Tages merkte Elisabeth immer mehr, wie sehr Jakob ihr fehlte, wie sehr sie aber auch den Kardinal vermisste. Beim Mittagessen bekam sie kaum etwas herunter, während Agnes mit gutem Appetit zugriff. Der Sturm hatte sich gelegt, das warme Oktoberwetter war zurückgekehrt. Elisabeth streifte in der Stadt herum, wanderte auch einmal bis zum Kloster Lichtenthal. Da, wo die Kaiserlichen gelagert hatten, waren frische Grabhügel aufgeworfen. Sonstige Überreste des Lagers hatten die Knechte der Bürger wohl beseitigt. Sie sah die Nonnen in die Kirche des Klosters gehen und hörte deren Gebete und Gesänge. Es klang ein wenig anders als das, was Elisabeth bei ihrem Vater und beim Superintendenten Andreä gelernt hatte. Auch gab es bei ihnen im Nagoldtal nicht diese Wegkreuze und Marterln mit der Muttergottes und ihrem Sohn. Wenn das Wetter es nicht zuließ, sich draußen aufzuhalten, spielte Elisabeth auf einer Laute, saß am Stickrahmen oder staubte das Arbeitszimmer des Kardinals ab. Lange Stunden verbrachte sie damit, die Bücher zu lesen, die der Kardinal im Laufe der Jahre angesammelt hatte. In einer Höhlung hinter einem der Regale gab es ein Geheimfach, in dem die verbotenen Bücher aufbewahrt wurden. Aber Elisabeth wagte nicht, es zu öffnen. Erst da stellte sie fest, dass an den Wänden Bilder von Lucas Cranach und Albrecht Dürer hingen. Elisabeth fiel ihr Elternhaus ein. Ihr Vater hatte ebenfalls Bilder von diesen Malern besessen. Fast fühlte sie sich heimisch in diesem Schloss, in dieser Bibliothek.

9.
    Inzwischen war der November mit Nebeln und Stürmen ins Land gekommen. Das Leben im Schloss und in der Stadt ging seinen Gang. Agnes wurde immer verdrießlicher und sprach kaum noch ein Wort. Als Elisabeth sie deswegen zur Rede stellte, zuckte sie mit den Schultern, wandte sich ab und meinte, sie langweile sich nur noch. Dieses Leben sei nicht das, was sie sich einmal vorgestellt habe. Diese Einstellung machte Elisabeth Kummer. Sie hatte gelernt, sich in der Lage, in der sie nun einmal war, einzurichten und das Beste daraus zu machen. Dennoch war es auch für sie nicht das Leben, das sie sich erträumt hatte. So lange sie zurückdenken konnte, war Krieg gewesen, wenn er auch erst in diesem Jahr so gefährlich nahe gekommen war. Sie erinnerte Agnes an ihr Versprechen, zu nähen, stieß aber auf taube Ohren.
    »Für wen soll ich denn nähen, es sind ja keine Kunden da«, meinte sie.
    »Du kannst doch für dich selber nähen, für mich, für den Hofstaat, die Badegäste, die Bürger und Bürgerinnen der Stadt.«
    »Ich habe keine Lust«, schnitt Agnes ihr das Wort ab.
    »Zu was hättest du denn Lust?«
    »Das weißt du doch.«
    »Die Mätresse eines hochgestellten Mannes zu sein?«
    Agnes schaute sie nur vielsagend an. In der nächsten Zeit fiel Elisabeth auf, dass Agnes sich häufig mit den Dienstboten vergnügte, nachts in den Räumen der Knechte und Mägde Feste feierte. Dann kam sie morgens übermüdet und mit geröteten Augen zum Frühstück. Elisabeth fühlte sich hilflos, sie wusste nicht, wie sie das

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