Die Köchin und der Kardinal
und prostete ihm mit seinem eigenen zu. »Willkommen auf meiner Festung«, sagte er. »Ihr seid Jakob Gruber, wie ich von meinem Diener hörte. Woher seid Ihr gebürtig, und woher kommt Ihr jetzt?«
»Gebürtig bin ich von Kochel am See, in Bayern. Jetzt komme ich von Rheinfelden.«
»Bayern, aha, Rheinfelden, aha. Schade, dass van Werth in Rheinfelden gefangen genommen wurde. Habt Ihr ihn nicht heraushauen können?«
»Nein«, entgegnete Jakob. »Unsere Männer flohen bereits zu Hunderten, wir hatten große Verluste.«
»Der soll mal kommen, dieser Franzosenoberst Bernhard!«, rief von Reinach. »Ein paar Wochen haben wir ja noch Zeit, uns mit Lebensmitteln und Munition einzudecken. Aber was rede ich da. Jetzt lasst Euch erst einmal von meinem Diener Euer Gemach zeigen. In einer Stunde wird er Euch zum Abendessen holen.«
Das Gästezimmer, das Jakob nun bezog, war nicht minder prächtig ausgestattet als das des Kommandanten. Das Fenster hatte Butzenscheiben, durch deren getönte Scheiben man den Rhein im Mondlicht fließen sah. Der Diener klopfte, brachte heißes Wasser zum Waschen, Seife und ein Handtuch. NachdemJakob sich gereinigt hatte, legte er sich auf das Bett. Die vergangenen Tage und Wochen strichen vor seinem inneren Auge vorüber. Doch über dem Gewimmel von Eindrücken, von Gewalt, Blut, Schweiß und Schlachten sah er nur ein Gesicht: das von Elisabeth. Eine Weile sinnierte er vor sich hin, dämmerte auch kurz ein, da klopfte es abermals. Der Diener führte ihn in den Rittersaal. Es war ein großer Raum, ebenso dunkel getäfelt wie die Kemenate des Burgherrn. Ein großer Kamin verbreitete eine behagliche Wärme. Die Wände waren mit Schwertern und Hirschgeweihen verziert, die frisch gescheuerten Böden mit Heu bestreut. In der Mitte stand eine lange Tafel aus Holztischen. Einige Männer und Frauen, vornehm gekleidet, hatten Platz genommen, andere gingen im Raum umher und plauderten miteinander. Jakob schätzte, dass es Offiziere und geladene Gäste waren. Hans Heinrich von Reinach stellte Jakob den anderen Gästen vor.
»So, aus Rheinfelden kommt Ihr«, sprach ihn einer der Männer an. »Unseren guten Johann von Werth hat man auf dem Hohentwiel eingesperrt. Das wird der sich aber nicht lange gefallen lassen.«
»Wie ich hörte, wurde in Paris schon ein Dankgottesdienst abgehalten«, sagte ein anderer und lachte. »Man wird ihm dort einen triumphalen Empfang bereiten, sage ich Euch. Ihr werdet sehen!«
»Ja, von Werth ist ein Genie«, pflichtete ihm von Reinach bei. »Aber vergesst nicht die Heldentaten, die wir in dieser Gegend vollbracht haben. Auch davon wird die Nachwelt reden!«
»Ihr meint die Einnahme der Hochburg?«, fragte der Erste. Die wenigen Frauen, die geputzt, geschminkt und mit tiefen Ausschnitten am Tisch saßen, beugten sich vor, um auch alles zu hören. Derweil wurde eine Rinderbrühe mit Fleischklößen aufgetragen. Hungrig machte sich Jakob darüber her, vergaß aber nicht, die Tischsitten einzuhalten, das heißt, die Klöße mit seinem Messer aufzuspießen, sie zu zerteilen, mit einer dreizinkigenGabel zu essen und am Schluss die Brühe auszuschlürfen. Sogar Fingerschalen waren neben den feinen Porzellantellern aufgestellt.
»Die Belagerung war, nach der Schlacht bei Nördlingen, eine meiner größten Taten«, brüstete sich von Reinach. Sein Gesicht glänzte bereits rot vom genossenen Wein. »Und natürlich auch Heldentaten meiner Männer«, setzte er hinzu.
»Zwei Jahre haben wir die Burg belagert«, erklärte der erste Mann. »Wir haben Kohl von den Feldern der Bauern geholt, um etwas zwischen die Zähne zu kriegen. Und schließlich hatten wir sie ausgehungert. Sie mussten kapitulieren, und wir haben die Burg geschleift.«
Da kenne ich größere Heldentaten, dachte Jakob, doch er sagte nichts.
»Und übrigens«, von Reinach wies auf eine Frau in den Zwanzigern mit einem runden Gesicht und zwei Kindern mit ebenso runden Gesichtern, die neben ihm saßen. »Das sind meine Frau Maria Martha und meine zwei Kinder, Charitas und Franz Wilhelm.«
Jakob nickte der Frau und den Kindern förmlich zu. Als nächster Gang wurden kleine Wildpasteten aufgetragen, dann folgten Stücke des gebratenen Ochsen mit Brot und Pflaumenmus sowie gebackene Forellen und Hasenkeulen. Das Mahl schloss mit Mandelkuchen und Sahnetorten ab. Jakob merkte, dass dem Wein immer mehr zugesprochen wurde. Nachdem Frau Maria Martha und die Kinder sich zurückgezogen hatten, machte sich Reinach an eine der
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