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Die Köchin und der Kardinal

Die Köchin und der Kardinal

Titel: Die Köchin und der Kardinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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geschminkten Damen heran, die es sich kichernd gefallen ließ. Wo bist du da nur hineingeraten?, dachte Jakob bei sich. Auch die anderen Männer wandten sich den Damen zu, zogen sie auf ihren Schoß, griffen ihnen in den Ausschnitt und gaben ihnen schmatzende Küsse auf die Münder. Jakob gähnte, trank seinen Becher aus, empfahl sich und zog sich auf sein Zimmer zurück, wo er bald darauf in sein Bett sank und bis zum Morgen schlief.

22.
    Innerhalb von drei Tagen hatte sich Elisabeth bis zum Wiesental vorgekämpft. Der Schnee, ein eiskalter Wind, der von den Bergen herunterpfiff und die Öde der Landschaft hatten ihr zu schaffen gemacht. In Schopfheim traf sie keine Menschenseele an und musste in einem zugigen, verlassenen Haus übernachten. Die zweite Nacht verbrachte sie in einem Heuschober. Elisabeth gewann den Eindruck, als wären die Täler seit Jahren von marodierenden Söldnern durchzogen worden. Nachdem sie im Wiesental ihr letztes Brot an hungrige Kinder verschenkt hatte, zog sich auch ihr Magen schmerzhaft zusammen. Sie stieg die verschneite Passstraße zum Belchen hinauf, wurde immer langsamer. Von den Bergriesen wehten Schneefahnen, der Wind trieb ihr eisenscharfe Graupel ins Gesicht. Es wurde schnell dunkel. Im Wald schrie eine Eule, ein langgezogenes Heulen vom Berg gab ihr Antwort. Elisabeth sank in den Schnee. Sie meinte, in der Ferne ein Licht zu sehen. Ihr war übel vor Hunger. Ihr Körper wurde immer kälter, ihre Hände und Füße waren blau gefroren. Das Heulen der Wölfe kam näher. Ein leises Trappeln näherte sich im Schnee, glühende Augen wurden sichtbar. Elisabeth hatte keine Angst mehr. Sie konnte sich nicht wehren, sollte geschehen, was geschehen sollte. Mochte Gott seinen Frieden mit der Welt machen, sie selbst hatte nun den Zenit überschritten, ihr Leben musste ein Ende haben. Sie war mutterseelenallein, kein Mensch in der Nähe, kein Wort des Trostes, der ihr gegeben wurde, keine Hand, die sie wärmte und berührte, kein Topf mit heißer Suppe, den jemand ihr gereicht hätte, um ihren schmerzenden Magen zu beruhigen. Inzwischen war es ihr wieder warm. Elisabethversuchte, einen Blick auf die Wölfe zu erhaschen, doch es wurde immer dunkler vor ihren Augen. Sie glitt hinüber in eine Traumlandschaft. Von der Spitze eines der Berge löste sich ein großes Schiff, glitt ins Tal hinunter. Es näherte sich langsam, aber unaufhörlich. Als es nah genug heran war, erkannte Elisabeth ihre Eltern auf dem Deck des Schiffes, ihren Bruder, den Superintendenten Andreä, Agnes, den Kardinal, Jakob, Melvine und Paul aus Baden. Hinter ihnen entdeckte sie Christoph, Bernhards Burschen sowie die Spielleute aus dem Tross. Sie spielten eine traurige Weise. Mit einem leise pfeifenden Geräusch zog das Schiff an ihr vorüber, wurde immer schneller und stürzte zu Tal, dem Abgrund zu. Das Schreien der geliebten Menschen gellte ihr noch in den Ohren, als sie die Augen aufschlug. Sie lag auf einer Ofenbank in einer Stube, einer Bauernhausstube vielleicht. Über dem Ofen hing Wäsche zum Trocknen. Eine Frau mit einer Schürze um den Leib machte sich am Feuer zu schaffen. Jetzt drehte sie sich um und kam mit einer Schüssel voll dampfender Suppe auf sie zu.
    »Hier, das soll Euch erst einmal wieder zum Leben erwecken«, sagte die Frau. Elisabeth richtete sich auf, nahm die Schüssel in die Hand und tauchte mit zitternden Fingern den Holzlöffel in die Suppe. Wie gut das tat, es waren sogar Fleischbrocken und Wurzelwerk darin. Langsam kehrte die Wärme in ihre Glieder zurück. »Wo bin ich?«, fragte sie die Frau.
    »In Wieden, das ist ein Dorf unterhalb vom Belchen«, sagte die Frau. »Mein Mann ist heute Nacht hinausgegangen, weil er einen Wolf gehört hat. Da wollte er nach den Schafen und Ziegen sehen. So fand er Euch. Und tatsächlich war ein Wolf ganz in Eurer Nähe.«
    Die Frau brachte ihr Decken, und Elisabeth streckte sich auf der Ofenbank aus. Am Morgen wurde sie von einem Scharren geweckt. Die Bäuerin fachte das Herdfeuer an und setzte einen Topf mit Gerstenbrei darauf. Bald erschienen auch der Bauer und die vier Kinder. Nach einem Gebet begannen sie zu essen.
    »Woher kommt Ihr und wohin geht Ihr?«, wollte der Bauer wissen.
    »Ich komme ursprünglich aus Calw an der Nagold«, sagte Elisabeth. »Von dort wurde meine Familie durch die Kaiserlichen vertrieben.« Dass ihre Gastgeber dem protestantischen Glauben angehörten, hatte sie dem Fehlen eines »Herrgottswinkels« entnommen.
    »Ach, was haben

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