Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)
ereignet?«
»Interessant«, kommentierte Lavan nur. Er verschränkte die Arme vor der breiten Brust, wie eine Trutzburg stand er da. »Du beginnst dir bereits zu widersprechen.«
»Aber nein, das tue ich nicht«, beteuerte Aryanwen, obwohl ihr klar war, dass sie sich dadurch nur noch verdächtiger machte. »Wenn Ihr mir doch nur zuhören würdet …«
»Das tun wir«, versicherte Vigor, »aber ich fürchte, Ihr werdet unsere Bereitwilligkeit nur dazu nutzen, uns noch weitere und noch unverschämtere Lügen aufzutischen. Wenn Ihr es wünscht, Majestät, kann ich den Vorgang der Wahrheitsfindung auch beschleunigen. Alles, was ich dazu brauche, ist ein glühendes Eisen und etwas …«
»Das würdet Ihr nicht wagen!«, fuhr Aryanwen ihn an. »Ich bin die Tochter König Tandelors! In meinen Adern fließt das Blut der Elfenkönigin!«
»Und? Wenn Ihr Euren Gemahl auf so schändliche Weise hintergangen habt, seid Ihr nicht besser als irgendeine Dirne aus den Straßen Andarils!«
»Das wird Euch leidtun, Vigor!«, prophezeite Aryanwen, während sie zum Fenster zurückwich. »Es steht Euch nicht zu, so mit mir zu sprechen!«
»Das werden wir sehen«, erwiderte Lavan an Vigors Stelle. »Wachen!«
Trampelnde Schritte waren zu vernehmen und das Klirren von Rüstungen. Gleich ein ganzes Rudel Bewaffneter stürmte in das Schlafgemach, die Speere bedrohlich gesenkt.
»Nehmt die Königin fest und bringt sie in den Kerker«, ordnete Lavan an. »Dort wird sie bleiben, bis sie sich entschließt, mir die Wahrheit zu sagen. Und ich habe so das Gefühl«, fügte er mit einem Blick in Vigors Richtung hinzu, »dass dies schon sehr bald der Fall sein wird.«
»Wehe, wenn Ihr es wagt!«, herrschte Aryanwen die Wachen an, von denen sie die meisten noch aus jener Zeit kannte, da sie ihrem Vater gedient hatten. Prompt konnte sie in einigen Gesichtern Verunsicherung erkennen – aber ihr war klar, dass dieser Zustand nicht lange anhalten würde.
»Das war ein Befehl!«, zeterte Lavan mit geballten Fäusten. »Ich bin Euer König! Tut gefälligst, was ich Euch sage, oder ich werde dafür sorgen, dass Eure Köpfe das Große Tor schmücken, habt Ihr verstanden?«
Die Zweifel in den Gesichtern der Soldaten wichen der Furcht vor ihrem König. Mit gesenkten Speeren traten sie heran – und Aryanwen handelte.
Schneller als einer der verdutzten Männer reagieren konnte, sprang sie auf die hölzerne Fensterbank und stieß das Fenster auf.
»Sie will fliehen!«, hörte sie Vigor hinter sich brüllen. »Das kommt einem Geständnis gleich!«
Kalte Abendluft drang Aryanwen entgegen – und ohne noch einen weiteren Augenblick zu verlieren, fasste sie sich ein Herz und sprang. Sie hörte, wie Lavan hinter ihr einen wütenden Schrei ausstieß, dann kam sie auch schon auf dem Wehrgang auf, der zwei Mannshöhen unter dem Fenster verlief. Sie sackte in die Knie, rollte sich auf den harten Pflastersteinen ab und stand im nächsten Moment wieder auf den Beinen – nur um sich einer weiteren Wache gegenüberzusehen.
Der Mann war so verblüfft darüber, seine Königin vor sich zu sehen, dass er wie angewurzelt verharrte, ungeachtet des lauten Geschreis, das von oben aus dem Schlafgemach drang – und noch ehe er sich von seiner Überraschung erholen konnte, fuhr Aryanwen herum und huschte davon, verschwand im Zwielicht der hereinbrechenden Nacht.
8
I nmitten einiger Ruinen hatten die Orks ihr Nachtlager aufgeschlagen. Einst, vor dem Krieg, mochte die Ansammlung eingebrochener Mauern und fauliger Balken ein blühendes Dorf gewesen sein – jetzt waren es nur noch Trümmer, die wie bleiche Totengerippe dalagen und von Gras und Moos überwuchert wurden.
Die Orks hatten in etwas Zuflucht gesucht, das einmal ein Wohnhaus gewesen sein mochte; nur die Grundmauern waren noch vorhanden, das Dach war eingestürzt, den geschwärzten Ruinen nach war Feuer die Ursache gewesen. Vermutlich hatte ein Söldnertrupp das Dorf überfallen und dem Erdboden gleichgemacht, wie so viele in diesem dämlichen Krieg, den die Milchgesichter und die Hutzelbärte sich geliefert hatten.
Rammar hatte sich in einer Ecke niedergelassen, um das letzte verbliebene Stück Blutwurst zu futtern, während Balbok sich einmal mehr daranmachte, das Kind mit Ziegenmilch zu versorgen. Inzwischen ging dies ganz reibungslos vonstatten, da sich alle Beteiligten – Kind, Orks und Ziege – an den Vorgang gewöhnt hatten.
»So ist es gut«, anerkannte Balbok. »Du musst viel trinken,
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