Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)
zahlreich waren die Wagen, die das königliche Siegel trugen, zu gewaltig die Eskorte. Und wenn sich der Tag dem Ende neigte, formten die Panzerwagen eine Art Burg, um die herum die Kaldronen Posten bezogen und über der die Flagge mit dem Axtsymbol gehisst wurde, dem Zeichen des Zwergenkönigs.
Wann immer sie es hatten wagen können, hatten Alured und Cailan sich an den Tross herangewagt, hatten seine Stärke ausgekundschaftet und herauszufinden versucht, wohin die Reise ging. Dabei hatten sie sich stets vorsehen müssen, nicht von den Spähtrupps entdeckt zu werden, die unablässig um den Tross schwirrten wie Fliegen um einen Haufen Dung.
Alured war froh, Anghas’ Sohn bei sich zu haben, der unzählige Tricks und Kniffe kannte, wenn es darum ging, sich fremden Blicken zu entziehen. Nicht nur, dass sie jeden Baum und jede Senke als Deckung nutzten, bisweilen tarnten sie sich und ihre Pferde auch mit Grasbüscheln oder Zweigen, und wenn sie sich nachts an das feindliche Lager heranschlichen, schwärzten sie ihre Gesichter mit Ruß. Alured, der in der herzoglichen Armee von Ansun gedient hatte, hatte diese Art zu kämpfen bislang nicht gekannt; und ihm wurde allmählich klar, wie es den Clans über die Jahrhunderte gelungen war, ihre Unabhängigkeit zu behaupten.
Was das endgültige Ziel des Zuges war, hatten Alured und Cailan noch immer nicht herausfinden können, jedoch stand inzwischen fest, dass es offenbar Richtung See ging. Was in aller Welt hatte Winmar dort vor?
Wie schon in den vergangenen Nächten hatten sie auch diesmal nur ein behelfsmäßiges Lager aufgeschlagen, das aus wenig mehr als ausgerollten Decken und ihren Sätteln bestand, die sie als Kopfkissen benutzten; ein Feuer zu entfachen wagten sie nicht aus Furcht vor Entdeckung.
Während Cailan bei den Pferden geblieben war, hatte Alured einen Rundgang unternommen, um sich zu vergewissern, dass ihnen niemand gefolgt war. Die Dunkelheit war bereits hereingebrochen, das Licht des zunehmenden Mondes fiel träge durch die Blätter. Der Lagerplatz, den sie ausgewählt hatten, befand sich unterhalb eines Felsens, der ein wenig Schutz vor dem kühlen Nachtwind bot. An einem kleinen Weiher, der sich ganz in der Nähe befand, hatten sie die Feldflaschen auffüllen und die Pferde saufen lassen können, auch gab es genügend frisches Gras für die Tiere. Alured und Cailan selbst verpflegten sich von dem Proviant, den sie mitführten und den sie streng rationiert hatten.
Froh darüber, sich ausruhen zu können und vielleicht sogar ein wenig Schlaf zu finden, kehrte Alured zum Lagerplatz zurück – doch zu seiner Verblüffung musste er feststellen, dass Cailan nicht da war. Die beiden Pferde, die an einem Wurzelstock angepflockt waren, grasten friedlich, Cailans Decke lag auf dem Boden ausgerollt … doch keine Spur von dem jungen Clansmann.
Alured flüsterte seinen Namen.
Er erhielt keine Antwort.
Unwillkürlich glitt seine Hand zum Schwertgriff.
»Cailan?«
Wieder Schweigen.
Im Mondlicht, das durch das Blätterdach sickerte, sah Alured Spuren. Das Gras war niedergedrückt, ein Pfad führte zum nahen Weiher. In gebückter Haltung folgte Alured der Fährte, bis er die glitzernde Wasserfläche zwischen den Bäumen hindurchblitzen sah – und die Gestalt, die dort im Schein des Mondlichts auf und ab schwamm.
Alured seufzte erleichtert und ließ den Schwertgriff wieder los. Es war heiß gewesen den Tag über, der nahende Sommer kündigte sich an. Cailan hatte die Gelegenheit genutzt, sich ein wenig zu erfrischen, was zwar nachvollziehbar war, aber auch leichtsinnig – Alured nahm sich vor, ihn deshalb zurechtzuweisen.
»Da bist du ja«, zischte er, halb verärgert und halb erleichtert.
Der junge Clansmann, der sein langes Haar wie immer zu einem Schopf hochgesteckt hatte, warf den Kopf herum. »Alured!«, entfuhr es ihm.
»In der Tat. Hast du jemand anderen erwartet?«
»Nein«, versicherte Cailan, der jetzt Richtung Ufer schwamm. »Aber du sollst weggehen!«
»Warum?«, fragte Alured und ließ sich auf einem Uferfelsen nieder. »Ich glaube eher, dass ich hierbleiben und auf dich aufpassen sollte, damit du nicht noch mehr Blödsinn machst.«
»Geh weg!«, wies Cailan ihn noch einmal an. »Als Lord Anghas’ Sohn befehle ich es dir!«
»Du befiehlst es mir?« Alured hob eine Braue. Cailan war ein junger Krieger, stolz und vielleicht etwas ungestüm, aber so herablassend hatte er noch nie mit ihm gesprochen. »Was ist los?«, wollte er
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