Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)
Enkel«, widersprach der Alchemist, »und das Blut von Corwyns Geschlecht fließt in seinen Adern!«
»Sein Vater aber ist Lavan, und er hat König Winmar die Treue geschworen!«
»Und das glaubt Ihr?« Ansgar lachte auf. »Seid Ihr wirklich so naiv, General? Muss ich ausgerechnet Euch an die unzähligen Versprechen erinnern, die von Menschen gegeben und nicht gehalten wurden? An die ungezählten Verträge, die geschlossen und gebrochen wurden?«
»Keineswegs«, wehrte Vigor schnaubend ab. »Ihr wisst, dass ich kein Menschenfreund bin, mein König. Aber bedenkt – wenn Ihr Aryanwen töten lasst, wird das im Reich für Unruhe sorgen. Im Osten weigern sich die Clansherren, Eure Herrschaft anzuerkennen, und es gibt noch immer Verräter in unseren eigenen Reihen. Wir brauchen nicht noch einen Unruheherd. Und zu einem solchen wird Tirgaslan werden, wenn Ihr Aryanwen einfach so hinrichten lasst.«
Ansgar holte Luft, um erneut zu widersprechen, doch Winmar gebot ihm zu schweigen. Einen Augenblick lang überlegte der König, wog die Worte seiner Berater gegeneinander ab – und plötzlich kam ihm eine Idee, die dafür sorgte, dass sich ein Grinsen in seine bärtigen Züge schlich.
»Wer sagt, dass ich sie hinrichten lasse?«, überlegte er laut. »Was, wenn sie eines plötzlichen, tragischen Todes stirbt, und ihr ungeborener Bastard mit ihr?«
»Besser noch«, näselte Ansgar, »wartet Ihr bis zu ihrer Niederkunft. Sie wäre nicht die erste Königin, die sich aus dem Kindbett nicht mehr erhebt. Sicher wären ihre Untertanen zutiefst betrübt, aber jeder würde es als unglückliche Fügung betrachten, und Ihr würdet von jedem Verdacht unberührt bleiben.«
»Das ist nicht gesagt«, gab Vigor zu bedenken. »Wenn etwas davon nach außen dringt …«
»Ihr müsstet eben jemanden mit dieser Aufgabe betrauen, der Euer vollstes Vertrauen genießt, mein König. Jemand, der sich auf die hohe Kunst des Mordens ebenso versteht wie darauf, die Wahrheit zu verschleiern …«
Winmar blickte in die schwarzen Augen und das graue Gesicht des Alchemisten – und konnte nicht anders, als einen Anflug von Bewunderung zu empfinden. Und plötzlich, ohne dass er hätte sagen können, woher sie gekommen war, stand ihm die Lösung deutlich vor Augen.
»Vigor?«
»Ja, mein König?«
»Ich will, dass du gehst.«
»Mein König?«
»Ich will, dass du nach Tirgaslan gehst und die Sache erledigst«, wurde Winmar deutlicher. »Du selbst, hast du verstanden?«
»Ich?« Die Blicke des Generals glitten zuerst zu Ansgar, wo sie nichts als ein selbstgefälliges Grinsen sahen, und dann zu Winmar, der sie mit grimmiger Entschlossenheit erwiderte. »Aber mein König, Ihr braucht mich hier am Hof!«
»Du selbst hast gesagt, dass die Hinrichtungen der Aufständischen Wirkung zeigen«, konterte Winmar. »Außerdem werde ich ohnehin nicht mehr lange in Gorta Ruun weilen.«
»Aber die Reise nach Tirgas Winmar, die Vorbereitungen …«
»Seid versichert, General, dass meine Gelehrtenbrüder und ich dem König mit Rat und Tat zur Seite stehen werden«, versetzte Ansgar mit unverhohlener Genugtuung. »Euer Platz scheint in diesen Tagen hingegen an einem anderen Ort zu sein. Dort könnt Ihr Eurem König am besten dienen.«
Vigors gedrungene Gestalt straffte sich. Noch einmal schien er zu einer Erwiderung ansetzen zu wollen, aber dann schien ihm die Aussichtslosigkeit des Unterfangens einzuleuchten. Seine Miene wurde steinern, während er langsam nickte. »Sieht ganz so aus«, sagte er nur.
»Du wirst schon morgen aufbrechen«, wies Winmar ihn an. »Geh nach Tirgaslan und warte dort ab – und wenn das elende Balg zur Welt kommt, dann tu, was getan werden muss. Als Beweis schicke mir das Herz des Kindes, hast du verstanden?«
Vigors Miene verriet keine Regung. »So sei es, mein König.«
»Ist deine Mission von Erfolg gekrönt, so werde ich dich reich belohnen. Versagst du jedoch, wird es keinen Ort in ganz durumin geben, an dem ich dich nicht finde, um dich zur Rechenschaft zu ziehen. Das Kind und seine Mutter müssen um jeden Preis sterben – und mein Albtraum mit ihnen. Sonst, mein lieber Vigor, werde ich zu deinem Albtraum werden.«
6
E s tat gut, allein zu sein.
Aryanwen genoss die Stille, die sie umgab, wenn sie sich in ihrem Gemach befand – auch wenn diese Stille durchsetzt war von Trauer und Selbstvorwürfen und Stimmen, die aus der Vergangenheit zu ihr sprachen.
Nach ihrem öffentlich zur Schau gestellten Ungehorsam hatte
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