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Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)

Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)

Titel: Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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ausgebreiteten Stümpfen, die einmal Arme gewesen waren, die einst so heiteren, rundlichen Züge waren zu einer grotesken Fratze mutiert. Wie, so fragte sich Bertin, konnte jemand derart grausam sein?
    Das Gesicht des jungen Zwergs war totenbleich, Tränen brannten auf seinen Wangen. Er brauchte nur die Augen zu schließen, um Dalfin vor sich zu sehen, lebendig und lebensfroh, wie er einst gewesen war, gut gelaunt und stets zu Scherzen aufgelegt. Bertin erinnerte sich gut an die gemeinsamen Ausflüge, die sie als Kinder unternommen hatten, um in entlegenen Höhlen Pilze zu sammeln, Höhlenwürmer zu jagen oder in aufgelassenen Stollen nach Gemmen zu suchen. Ihre wahre Leidenschaft jedoch hatte von jeher der Steinmetzkunst gehört.
    Beide waren bei ihrem Vater Drogo in die Lehre gegangen, der ihnen von Kindesbeinen an die Liebe zur schönen Form und den rechten Umgang mit dem Werkzeug beigebracht hatte. So hatten sie beide eine glückliche Kindheit und Jugendzeit erlebt – bis Winmars Willkür zugeschlagen und ihren Vater seiner beiden Hände beraubt hatte.
    Ihrer Lebensgrundlage beraubt, war die Familie verarmt. Um zu überleben, hatten Dalfin und Bertin als Minenarbeiter geschuftet, für einen Hungerlohn und unter der ständigen Überwachung der königlichen Aufseher. Eingeschüchtert und verängstigt hatte Bertin den Kopf eingezogen und gehofft, dadurch dem grässlichen Schicksal zu entgehen, das ihr Vater erlitten hatte.
    Nicht so sein Bruder.
    Dalfin hatte sich nicht einschüchtern lassen und im Verborgenen den Kampf gegen den Tyrannen aufgenommen. Zusammen mit anderen jungen Zwergen, die nicht länger zusehen wollten, wie Unrecht und Willkür in Gorta Ruun regierten, hatten sie begonnen, Widerstand zu leisten. Anfangs nur im Kleinen, dann in immer größerem Umfang. Aus dem Hinterhalt hatten sie Ork-Söldner angegriffen, hatten Kaldronen sabotiert und hier und dort einen Minenzug überfallen, und eine Weile lang war alles gut gegangen. Dann jedoch hatten die Schergen der Geheimpolizei zugeschlagen und ihnen eine Falle gestellt. Dalfin und seine Kameraden waren gefangen genommen worden – und sie alle hatten auf Winmars Befehl im Kessel ein grausames Ende gefunden.
    Bertin war dabei gewesen.
    Von einem der Ränge aus hatte er verfolgt, wie sein Bruder gestorben war. Er hatte miterleben müssen, wie das flüssige Silber seine Kleider und sein Haar entzündet hatte, hatte den entsetzlichen Schrei gehört, mit dem Dalfin aus dem Leben geschieden war, unter unsäglichen Schmerzen. Niemals, niemals würde er diesen letzten Schrei vergessen.
    »Bertin.« Jemand stieß ihn in die Seite. Es war Dado, sein Freund und Gefährte, der neben ihm auf der Brücke stand und sich nervös umblickte. »Es ist Zeit. Wir müssen gehen, ehe die Patrouille kommt.«
    Bertin nickte. Es war gefährlich, die Königsbrücke zu betreten, die allein Winmar und seinen Hofschranzen vorbehalten war. Dennoch hatte er unbedingt hierher kommen, hatte er seinem Bruder diese letzte Ehre erweisen wollen – auch wenn das bizarre Gebilde, das dort oben auf der steinernen Balustrade stand, nichts mehr mit Dalfin gemein hatte.
    »Wir müssen gehen«, mahnte Dado wieder. Die Mundwinkel des Freundes, um die noch kaum ein Barthaar spross, zuckten ängstlich. »Wenn man uns hier schnappt und herausfindet, wer du bist, ist es mit uns vorbei.«
    Bertin nickte.
    Er hatte ohnehin genug gesehen.
    Ihm war klar, dass die Brutalität, mit der Winmar gegen seine Feinde vorging, der Abschreckung dienen sollte. Aber der Zwergenkönig hatte eines nicht bedacht – dass sie auch das genaue Gegenteil bewirken konnte.
    Er blickte an sich herab, auf den Hammer, auf den er sich stützte. Der Kopf war mit feinen Ziselierungen versehen, der Griff mit der Rune der Steinmetzzunft. Seit vielen Generationen befand sich dieser Hammer im Besitz seiner Familie. Er war geschmiedet worden, um Kunstwerke aus nacktem Stein zu befreien, und hatte nicht nur seinem Vater gute Dienste geleistet, sondern auch schon dessen Vater, und dessen Vater zuvor. Bertin jedoch würde den Hammer einem neuen Zweck zuführen – denn er eignete sich auch vortrefflich dazu, die Schädel von Feinden zu zerschmettern.
    Bertin hob den Hammer, streckte ihn Dalfin wie zu einem Abschiedsgruß entgegen – und schwor beim grässlichen Anblick seines in Zwergensilber erstarrten Bruders, dass er seinen Tod rächen würde.
    »Sie kommen«, hörte er Dado zischen.
    Bertin blickte zur anderen Seite der

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