Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)
grässliches Kreischen und Schmatzen war die Folge, dann drang erneut beißender Gestank in seine Nase, aber ganz anders als zuvor.
Diesmal stank es nach verbranntem Fleisch!
Das Kreischen endete mit einem dumpfen Schlag. Dichter Rauch schien die Luft zu tränken, Dag würgte und musste husten. Als sich sein Husten endlich legte, hörte er irgendwo neben sich jemanden keuchend nach Atem ringen.
»Wer …?«, fragte er gehetzt und raffte sich auf die Beine. »Dwethan, seid Ihr das?«
»Ich bin hier, Junge«, ließ sich der Alte vernehmen, der erschöpft, aber unverletzt zu sein schien. »Es ist alles in Ordnung.«
»I-in Ordnung? Soll das ein Witz sein?« Dag machte einen Schritt nach vorn, wobei er mit dem Fuß gegen etwas stieß, das vor ihm auf dem Höhlenboden lag. »Was ist passiert?«
»Dein Gefährte«, erwiderte Dwethan schlicht. »Er wollte uns töten.«
»Wer wollte uns töten? Tiff?« Vor Dags geistigem Auge tauchte das Bild des gutmütigen Einsiedlers auf, den er sich seiner etwas einfältigen Stimme gemäß stets als ein großes Kind vorgestellt hatte – die Vorstellung, dass er etwas in böser Absicht getan haben sollte, war völlig abwegig.
»Nein. Der ursprüngliche Bewohner dieser Höhle, der echte Tiffor, dürfte schon lange tot sein. Diese Kreatur hier hatte lediglich seine Gestalt angenommen.«
»Seine Gestalt angenommen?« Dag konnte kaum glauben, was er da hörte.
»Ein Wechselbalg, ganz recht«, bestätigte Dwethan.
»Aber es gibt keine Wechselbälger!«
»Sag das dem, der dort vor dir liegt«, erwiderte der Alte.
Dag erinnerte sich an das Hindernis, gegen das er gestoßen war. Langsam ließ er sich nieder und begann zu tasten. Er schauderte, als er Gliedmaßen fühlte, die von ledriger Haut überzogen waren und in grässlichen Klauen endeten – und er fuhr zurück, als seine zitternden Hände ein fratzenhaftes Gesicht fanden, ein mit Reißzähnen bewehrtes Maul …
»Nun? Überzeugt?«
»Wer sagt mir, dass Ihr die Wahrheit sprecht?«, verlangte Dag dennoch zu wissen. »Ich kann nicht sehen, was um mich herum vor sich geht.«
»Dann achte auf deine anderen Sinne. Willst du behaupten, dass du es nicht gefühlt hättest? Dass dir die Veränderung, die Störung im Gleichgewicht der Natur nicht aufgefallen wäre? Die Bosheit, die von dieser Kreatur ausging?«
Dag antwortete nicht. Wenn er ehrlich war, musste er eingestehen, dass er tatsächlich etwas gespürt hatte, aber er hätte niemals angenommen, dass …
»Du musst lernen, diesen Empfindungen zu vertrauen«, belehrte ihn der Alte, »sonst wirst du immer mit Blindheit geschlagen bleiben.«
»Habt Ihr es auch gespürt?«, fragte Dag. »Ihr scheint nicht besonders überrascht zu sein …«
»Nicht sonderlich«, gab Dwethan zu, während er in der Höhle auf und ab ging. Offenbar vergewisserte er sich, dass die Kreatur – wie immer sie aussehen mochte – tatsächlich tot war. »Erinnere dich an gestern, bevor wir uns trafen. Ich hatte euch beobachtet, dort draußen auf der Lichtung, als du versucht hast, diese Beeren zu sortieren.«
Dag nickte. »Es wollte mir nicht gelingen.«
»Das wundert mich nicht weiter – denn es waren nur blaue Beeren in der Schüssel.«
»Nur blaue Beeren? Aber das bedeutet, dass … dass …«
»Diese Kreatur hat mit dir gespielt, mein Junge, die ganze Zeit über. Offenbar sollte sie dich überwachen. Und für den Fall, dass du diesen Wald jemals wieder verlassen willst, hatte sie den Auftrag, dich zu töten.«
»Von wem?«, fragte Dag schaudernd. Der Gedanke, dass der Gefährte, mit dem er sich über so viele Monde das Obdach geteilt hatte, in Wirklichkeit ein blutrünstiges Monstrum gewesen war, ließ ihn erschauern. »Winmar?«
»Das bezweifle ich. Du überschätzt den kleinen König, wenn du denkst, dass er über Kreaturen wie diese gebieten könnte. Um einen Wechselbalg zu rufen, bedarf es größerer Macht, als der Zwergenkönig sie jemals haben wird, so von Bosheit zerfressen er auch sein mag. Die Magie, die dazu benötigt wird, ist um vieles stärker als er.«
»Magie?« Dag schüttelte verständnislos den Kopf.
»Winmar ist stets nur eine Spielfigur gewesen, mein junger Freund«, fiel Dwethan ihm ins Wort, »eine Marionette in einem Theaterstück, dessen Ziel und Ausgang er nicht kennt.«
»Was ihn nicht davon abgehalten hat, darin eine Hauptrolle zu spielen«, bemerkte Dag.
»Das ist wahr. Doch Winmar ist es nicht, der mir Kopfzerbrechen bereitet. Der tatsächliche
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