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Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)

Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)

Titel: Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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und die Wirte in den Tavernen hatte Berge von Fleisch, dunklem Brot und würzigem Bier aufgetragen. Hier hingegen waren die Brotscheiben und der Gerstensaft ebenso blass und dünn wie die Bewohner des Landes selbst.
    »Bitte«, flehte der Greis, »ich habe sieben Enkelkinder!«
    »Warum erzählst du mir das? Willst du sie mir etwa vorsetzen?« Vigor setzte jenes erbarmungslose Grinsen auf, mit dem er in der Folterkammer schon zahllosen Gefangenen den Rest gegeben hatte, und auch diesmal verfehlte es seine Wirkung nicht. Die knochigen Hände des Wirts begannen zu zittern, seine Furcht steigerte sich in Panik. Seinen stärksten Trumpf jedoch hatte Vigor sich noch aufgehoben. »Es gibt also kein Fleisch«, hakte er genüsslich nach.
    »Nein, Herr.«
    »Das schwörst du. Beim Leben deiner sieben Enkelkinder.«
    Der Alte zögerte kurz. »J-ja, Herr«, beteuerte er dann.
    »Schön.« Vigor nickte. »Ich frage mich nur, weshalb ich vorhin im Stall etwas schnattern gehört habe.«
    Die Augen des Wirts weiteten sich erschrocken. In einer flehenden Geste hob er die Hände. »Das ist … nur eine Gans … die letzte, die wir haben.«
    »Und? Ist das etwa kein Fleisch?«
    »Das Tier ist alt und zäh und hat kaum Fett auf den Rippen. Das wenige brauche ich, um meine Familie durchzubringen. Mein ältester Sohn wurde im Krieg getötet, die anderen beiden schwer verwundet. Wie sollen sie wieder zu Kräften kommen, wenn ich nichts zu essen für sie habe?«
    »Du gibst also zu, dass du Fleisch im Haus hast«, beharrte Vigor lauernd. »Obwohl du soeben noch das Gegenteil beschworen hast, beim Leben deiner Enkelkinder.«
    Der Gastwirt begnügte sich nicht mehr damit, sich fortwährend zu verbeugen, sondern sank auf die Knie, sodass er mit dem sitzenden Zwerg auf Augenhöhe kam. »Bitte, hoher Herr, verzeiht mir diese Unwahrheit. Ich habe es nicht für mich getan, sondern nur für meine Kinder.«
    »Schweig«, wies Vigor ihn an, worauf der andere sofort verstummte. »Hör mir gut zu«, sagte er dann. »Du wirst jetzt sofort in den Stall gehen und dem verdammten Vogel den Hals umdrehen, und dann wirst du mir zwei saftige Gänsekeulen zubereiten. Tust du das nicht, werde ich meine Ork-Söldner hereinbitten, und ich könnte mir vorstellen, dass sie weniger nachsichtig sind als ich. Hast du mich verstanden?«
    »J-ja, Herr.«
    »Dann geh jetzt«, beschied Vigor ihm flüsternd. »Ein zweites Mal findest du mich nicht in so großmütiger Stimmung.«
    Der Alte erhob sich ächzend und entfernte sich, wobei er Vigor das Gesicht zuwandte und sich abermals verbeugte. Erst als er den Vorhang erreichte, der die Küche vom Schankraum trennte, wandte er sich um und verschwand.
    Mit einem Grinsen der Genugtuung blickte Vigor ihm nach. Ihm war klar, dass in diesem Moment aller Blicke auf ihm ruhten, und das machte das Ganze noch befriedigender. Hauptsache, der Schankwirt und all diese armseligen Gestalten hatten ihre Lektion gelernt – so wie Vigor seine Lektion gelernt hatte.
    Er hatte die vergangenen Tage dazu genutzt, über sich nachzudenken, und je länger er nachgedacht hatte, desto unglaublicher und unwahrscheinlicher war ihm vorgekommen, wie alles sich entwickelt hatte. Als glühender Anhänger Winmars hatte er sich in dessen Diensten emporgearbeitet, war vom einfachen Kundschafter zum Anführer der Geheimabwehr aufgestiegen, die er selbst begründet hatte. Von Anfang an war es seine Überzeugung gewesen, dass nur derjenige erfolgreich regieren konnte, der die dazu erforderlichen Werkzeuge besaß. Die Zwergenherrscher der jüngeren Vergangenheit, so Vigors Überzeugung, waren alle daran gescheitert, dass sie eben diese Werkzeuge nicht besessen hatten. Wehrlos waren sie den Launen der Zeit und den Intrigen ihrer Gegner ausgeliefert gewesen und entsprechend zum Spielball fremden Willens geworden. Vigors Ziel war es gewesen, dem Zwergenreich zu neuem Ruhm und Ansehen zu verhelfen, und er hatte geglaubt, in Winmar all das verkörpert zu finden, was einst die großen Herrscher ausgemacht hatte.
    Entschlossenheit.
    Kühnheit.
    Eisernen Willen.
    In der Überzeugung, dass Winmar dazu auserwählt sei, den alten Glanz des Zwergenvolks wiederherzustellen, hatte Vigor ihm mit ganzer Kraft gedient. Er hatte seinem Herrn die Informationen beschafft, die dieser brauchte, um sein Amt auszuüben, und hatte dafür gesorgt, dass es niemand wagte, sich gegen den König zu erheben. Furcht, so Vigors Überzeugung, war der Schlüssel zur Macht. Er hatte sie

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