Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)
aussetzen!«
»Es ist aber kein Orkling, sondern ein hässliches Milchgesicht!«, widersprach Rammar, dessen feistes Gesicht sich vor Zorn noch mehr aufgebläht und dunkel verfärbt hatte. »Und wir sind auch nicht irgendwelche Orks, sondern Könige! Wir müssen zu unserer Insel zurück und können keinen Ballast gebrauchen.«
»Hast du gehört? Ballast hat er gesagt!«, wandte sich Balbok an das Kind auf seinem Arm. »Nimm es ihm nicht übel. Der Rammar meint es nicht so.«
Das Kind lachte.
»Das werden wir ja sehen.« Wütend wandte sich Rammar ab und stampfte weiter durch den Wald. Es ärgerte ihn, dass sich sein Bruder mit dem Kind unterhielt und dazu noch so tat, als wäre er nicht dabei. Überhaupt legte Balbok eine ärgerliche Aufsässigkeit an den Tag, seit das Balg da war, was Rammar nur in seiner Überzeugung bestärkte, dass es weg musste, und das möglichst rasch.
Die Gelegenheit ergab sich, als sie wenig später eine Lichtung erreichten. Einige flache, moosbewachsene Felsen lagen dort im fahlen Sonnenlicht, die wie geschaffen dafür waren, ein Menschenkind darauf zu betten.
»Hier«, schnarrte er nur. »Leg das Balg da hin, da hat es ein weiches Lager.«
»Douk.« Balbok schüttelte den Kopf.
»Willst du ernsthaft Streit anfangen, umbal ?«
»Douk«, beteuerte Balbok noch einmal. »Aber ich werde das Kind auch nicht aussetzen. Wenn, dann musst du es selbst tun.« Und noch ehe Rammar sich’s versah, hatte ihm sein hagerer Bruder das kleine Bündel auch schon in die Arme gedrückt.
»Von mir aus«, schnauzte er, »dann werde ich es eben tun, wenn du elendes Weichhirn nicht Orks genug dazu bist.« Kurzerhand watschelte er auf den nächstbesten Felsen zu und legte das Kind darauf ab. »So, siehst du? Ist nichts dabei.«
Er wandte sich ab und wollte gehen, zurück in den Wald – als das Mädchen zu schreien anfing.
Kein Schreien aus Müdigkeit oder weil es Hunger hatte. Sondern das gellende, markerschütternde Geschrei einer Kreatur, die fürchtete, verlassen zu werden.
»Rammar.«
»Was?«
»Es schreit.«
»Blödkopf, ich höre auch, dass es schreit.«
»Es hat Angst«, war Balbok überzeugt.
»Und wovor bitteschön?« Er wies um sich in den düsteren Wald. »Vor ein paar rauschenden Blättern? Meinst du, das beeindruckt mich? Denkst du, das kocht mich weich?« Rammar lachte triumphierend auf. »Das dämliche Geschrei lässt mich völlig kalt. Je schneller wir weg sind, desto schneller werden wir es los, da kann es krakeelen und zetern, so viel es will!«
Damit drehte er sich um und ging nun tatsächlich, verfolgt von den Schreien, die in seinen spitzen Ohren klingelten.
Räbbäh! Rämmäh! Rammah! Rammar!
Rammar horchte auf.
Irrte er sich, oder hatte das Balg gerade seinen Namen gerufen? Blödsinn, schalt er sich selbst einen umbal , das war völlig unmöglich!
Rammar! Rammar!
Er blieb stehen.
»Was ist?«, fragte Balbok, als er das Zögern seines Bruders bemerkte.
»Nichts, nur …«
Rammar! Rammar!
»Ja?«, hakte Balbok nach.
»Hörst du das auch?«
Rammar! Rammar!
»Klar hör ich das.« Balbok nickte. »Es schreit immer noch.«
»Und was schreit es?«
Balbok legte den Kopf schief und schickte Rammar einen Blick, als würde er an dessen Verstand zweifeln. »Na, was man halt so schreit, wenn man Angst hat.«
»Hm …«, machte Rammar nur.
Kein Zweifel, das Balg rief nach ihm. Wann je zuvor in seinem tristen Dasein hatte jemand so flehend nach ihm gerufen?
»Gehen wir, Rammar«, schlug Balbok vor, dessen Mundwinkel traurig herabhingen. »Das ist ja nicht auszuhalten.«
»Douk«, erwiderte Rammar und schüttelte das klobige Haupt. »Mir ist gerade eingefallen, dass sich auch Gnomen in diesem Wald herumtreiben. Wenn sie das Balg finden, werden sie es auffressen.«
»Und?«
»Und einen solchen Leckerbissen werde ich ihnen ganz sicher nicht überlassen«, stellte der fette Ork klar und stampfte zurück zum Felsen. »Wenn das Balg einer auffrisst, dann bin ich das, verstanden?«
»Wir nehmen es also mit«, sagte Balbok.
»Vorerst«, knurrte Rammar, während er das kleine Bündel wieder aufnahm und es sich auf den Arm lud. »Und auch nur als Proviant.«
14
D anach«, schloss Aryanwen ihren Bericht, »bin ich weitergelaufen und immer weiter – bis ich endlich im Wald auf unsere Leute stieß. Als ich Stimmen hörte, dachte ich zunächst, dass es die Unholde wären, die mich verfolgten, aber dann wurde mir klar, dass es Menschen waren – und so wurde ich
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