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Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)

Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)

Titel: Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Rücken, und er hatte sich geschworen, niemals wieder nach Gorta Ruun zurückkehren zu wollen. Ebenso, wie er sich geschworen hatte, niemals zuzulassen, dass Aryanwen in Gefahr oder gar erneut in Gefangenschaft geriete. Offenbar hatte er jedoch beide Schwüre gebrochen.
    Unruhig schritt Dag in dem Quartier auf und ab, das man ihm zugeteilt hatte. Es handelte sich um eine geräumige Kammer in einem der oberen Stockwerke des Roten Turmes, von deren Fenster aus sich ein weiter Ausblick auf die Hügellande und das Gebirge im Nordosten eröffnete. Vorausgesetzt natürlich, man war in der Lage zu sehen.
    Dag überlegte fieberhaft.
    Vater oder Geliebte.
    Niemals hätte er geglaubt, dass er gezwungen sein würde, zwischen diesen beiden eine Wahl zu treffen.
    Die Nachricht, dass sein Vater noch lebte, hatte Dag in einen Zwiespalt gestürzt, dessen er sich fast schämte. Er hatte niemandem davon erzählt, aber abgesehen von aller Freude, die er empfand, nahm er gleichzeitig auch die drückende Last der Verantwortung wahr, die von einem Augenblick zum anderen wieder auf ihm lastete.
    Wenn sein Vater noch am Leben war, dann bedeutete das, dass auch die Traditionen von Ansun wirksam und lebendig waren – und damit auch alle Erwartungen, die mit ihnen einhergingen. Dag hatte den größten Teil seines bisherigen Lebens damit zugebracht, diese Erwartungen zu erfüllen, zumeist vergeblich; wie sehr er sich auch bemüht haben mochte, den Anforderungen des Hauses Ansun hatte er nicht genügt. Für seinen Vater war er nichts als eine herbe Enttäuschung gewesen, und daran hatte sicher auch der Kerker nichts geändert.
    Niemals in seinem Leben würde Dag den Blick seines Vaters vergessen, als dieser erfuhr, dass die Schlacht um Ansun verloren war – und dass es sein eigener Sohn gewesen war, der die Waffen gestreckt hatte. Angesichts der erdrückenden Übermacht des Feindes und der furchtbaren Zerstörungen, die er angerichtet hatte, hatten Dag und Aryanwen keinen anderen Ausweg gesehen, als zu kapitulieren. Ihnen war es darum gegangen, Menschenleben zu retten – dem Herzog hingegen war es um seine Ehre gegangen, und lieber hätte er sein Volk in den Untergang geführt, als seine Ehre preiszugeben.
    Dag und sein Vater waren so unterschiedlich, wie zwei Menschen nur sein konnten, entsprechend hatte sein Herz augenblicklich eine Wahl getroffen, als es darum ging, zwischen ihm und Aryanwen zu entscheiden. Sein Verstand jedoch sagte etwas anderes.
    »Ich kann sehen, dass du dich quälst«, sagte Dwethan, der ihm in seiner Kammer Gesellschaft leistete. Ruhig am Fenster stehend, bot der alte Prediger einen eigentümlichen Gegensatz zu Dag, der noch immer auf und ab ging wie ein Tier, das in einen Käfig gesperrt war.
    »Unsinn«, wehrte Dag ab. »Ich quäle mich nicht. Ich denke nur ein wenig nach.«
    »Ich verstehe. Dann bluten deine Lippen also immer, wenn du ein wenig nachdenkst?«
    Dag schürzte die Lippen. In seiner Drangsal hatte er so darauf herumgebissen, dass sie bluteten, und es noch nicht einmal bemerkt.
    »Du musst dich deiner Gefühle nicht schämen«, sagte Dwethan leise.
    Dag blieb stehen und tat so, als bedenke er den Alten mit einem abschätzigen Blick. »Was wisst Ihr schon über meine Gefühle?«
    »Manches. Ich weiß zum Beispiel, dass Osbert dir nie ein richtiger Vater gewesen ist. Dass er lieber einen starken Kämpfer zum Sohn gehabt hätte als einen Denker wie dich. Dass er deine Ideen und Visionen stets verlacht hat. Und doch bist du etwas Besonderes. Du bist das, was die Elfen der alten Zeit acayr nannten.«
    »Dieses Wort kenne ich nicht. Was bedeutet es?«
    »Wörtlich übersetzt bedeutet es ›Anker‹. Es meint aber auch Wesen, die in der Geschichte einen besonderen Stellenwert einnehmen, weil ihr Geschick mit dem Erdwelts untrennbar verbunden ist. Manche acayra sind sich ihrer Bedeutung in vollem Umfang bewusst, so wie Sigwyn und andere Könige der Alten Zeit, die ihr Leben in den Dienst großer Taten gestellt haben. Andere hingegen ahnen Zeit ihres Lebens nichts von der besonderen Rolle, die ihnen das Schicksal zugedacht hat. Und manche verlassen diese Welt sogar, ohne je erfahren zu haben, dass sie sie maßgeblich bestimmt haben. Vor allem Menschen neigen nach meiner Erfahrung zu Letzterem.«
    »Ach ja?« Dag war stehen geblieben. Ohne dass er den Grund genau hätte sagen können, machten die Worte des Alten ihn wütend. Womöglich, weil sie ihn an seinen Vater erinnerten. »Vielleicht wollen wir Menschen

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