Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)
der Prediger, für den Dag ihn zunächst gehalten hatte. Er wusste von Dingen, die kein gewöhnlicher Mensch wissen konnte, und er schien über manch erstaunliche Fähigkeit zu verfügen …
»Einverstanden«, gab Dags Herz die Antwort, noch ehe sein Verstand dazu bereit war. »Aber ich warne Euch, alter Mann: Diese Menschen bedeuten mir mehr als mein eigenes Leben. Wenn ihnen etwas zustößt …«
»Ich verspreche dir, alles zu unternehmen, was nötig ist, um sie vor Lavans Zugriff zu bewahren. Gehe du nach Gorta Ruun und befreie deinen Vater – ich werde in der Zwischenzeit nach Tirgaslan reisen und alles tun, um die Königin und ihr Kind zu retten. Wenn das Schicksal uns wohlgesonnen ist, treffen wir uns in einem Mond an der Pforte von Arun an den Gestaden des dwaímaras .«
Dag nickte. Dwaímarash war das alte elfische Wort für die Ostsee, und die Pforte von Arun waren zwei riesige Statuen, die hinaus auf das Wasser blickten. In alter Zeit waren diese Standbilder, jedes davon achtundvierzig Klafter hoch, den Elfenkönigen gewidmet gewesen und hatten König Sigwyn und dessen Gemahlin Liadin dargestellt. Später dann waren sie zu Ehren König Corwyns und Königin Alannahs geändert worden; seitdem blickten der erste menschliche Herrscher von Tirgaslan und seine elfische Gemahlin gen Osten in die Ferne, ein steinernes Mahnmal an Zeiten, die sehr viel besser und friedlicher gewesen waren. Denn auf Corwyns Thron saß jetzt der Verräter Lavan, und die beiden letzten Überlebenden von Corwyns Haus mussten um ihr Leben fürchten.
Auf eine gewisse Weise schien es nur konsequent, die Pforte von Arun als Treffpunkt zu wählen. Nicht nur, weil sie von Tirgaslan und Gorta Ruun annähernd gleich weit entfernt war. Sondern auch, weil sich Vergangenheit und Zukunft dort begegneten, und wenn ihr Geschick es gut mit ihnen meinte, würden auch sie dort wieder vereint.
Mehr wollte Dag nicht.
Wenn Aryanwen erst wieder bei ihm war, wenn er ihr gemeinsames Kind in seinen Armen hielt, würde er endlich wieder Trost finden. Seine Schuldigkeit war dann getan, und gemeinsam mit den Menschen, die er liebte, würde er sich aus der Welt zurückziehen, so wie er es schon einmal getan hatte.
13
W eißt du, du hast uns ja schon oft in den shnorsh geritten. Aber das ist wirklich der übelste bru-mill , den du uns jemals eingebrockt hast!«
Rammar konnte nicht aufhören zu lamentieren.
Die ganze Zeit über, während er vor Balbok hermarschierte und mithilfe seiner Körpermasse eine Schneise durch den dichten Wald bahnte, maulte er vor sich hin.
»Aber Rammar«, wandte Balbok ein, der die kleine Alannah auf den verschränkten Armen trug, »sieh dir das Kind doch wenigstens mal an. Es sieht gar nicht so garstig aus wie ein erwachsener Mensch, eher wie ein Orkling. Und es ist leicht wie eine Feder.«
»Was du nicht sagst.«
»Und jetzt lacht es sogar, sieh nur!«
»Toll«, kommentierte Rammar, ohne sich umzudrehen. »Wirklich ganz toll. Das ist genau, was ich immer wollte. Ein Menschenbalg betütteln.«
»Aber Rammar, es ist doch nicht für immer! Wir bringen das Kind zu Dag und dann …«
»Aber Rammar, es ist doch nicht für immer!«, äffte Rammar ihn nach. »Du solltest dich reden hören! Hast du eine Ahnung, wie weit es bis zu den Hügellanden ist? Außerdem haben wir keine Ahnung, wo sich das Herzogsöhnchen versteckt hält. Und wenn sie ihn längst erschlagen haben, und was dann?«
»Hm«, machte Balbok. Mit einer Klaue hielt er weiter das Kind, während er mit der anderen den ledernen Helm in die Stirn schob und sich nachdenklich am spärlich behaarten Hinterkopf kratzte. »Daran habe ich noch gar nicht gedacht.«
»Das wundert mich nicht, denn denken war noch nie deine Stärke«, konterte Rammar. »Meine aber schon, und deshalb weiß ich auch, was wir tun werden.«
»Nämlich?«
»Was wohl? Wir werden das Kind aussetzen.«
»Wie meinst du das?«
»Wie werde ich es wohl meinen?« Rammar blieb stehen und wandte sich schnaubend zu seinem Bruder um. »Wir lassen das Balg im Wald zurück, dann sind wir es los.«
»Aber dann … dann wird es ja verhungern!«
»Kaum«, widersprach Rammar. »Die Wölfe werden es wohl vorher holen.«
»Rammar …«, Balbok straffte sich und holte tief Luft, »das geht nicht! Du hast dem Kind doch seinen Namen gegeben!«
Rammar sah ihn finster an. »Na und? Wirst du jetzt rührselig? Wir sind Orks, verdammt noch mal!«
»Eben – und Orks würden einen Orkling niemals
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