Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)
Krieger ins Scharfgebirge aus«, drängte Aryanwen – je mehr Mühe Lavan darauf verwendete, die vermeintlichen Entführer dort zu finden, desto leichter würden Balbok und Rammar es haben, mit Alannah zu entkommen. »Wenn Ihr rasch handelt, könnt Ihr Winmars Schergen noch vor der Grenze abfangen.«
»Ich empfehle den Einsatz mehrerer Trupps«, pflichtete Vigor in geradezu bizarrer Einhelligkeit bei. »Stünden mir meine Orks noch zu Gebote, würde ich Euch ihre Dienste anbieten – ihre Fähigkeiten im Spurenlesen waren bemerkenswert.«
»Aber was immer Ihr unternehmt, tut es rasch«, drängte Aryanwen. »Wenn sie den Wald erst hinter sich gelassen haben, können sie nicht mehr …«
»Schluss jetzt!«, begehrte Lavan auf, sein Kopf schien dabei fast zu platzen. Außer sich vor hilflosem Zorn sprang der Marionettenkönig auf, dabei wild mit den Armen rudernd, so als wäre er tatsächlich eine an Fäden hängende Puppe. »Hört auf, alle beide! Ihr braucht mir nicht zu sagen, was ich zu tun und was ich zu lassen habe, das weiß ich selbst!«
»Aber, mein Gemahl …«
»Mein König …«
»Ruhe! Ich will nichts mehr hören. Es ist mein Erbe, der entführt wurde, und nicht der Eure, und ich allein werde entscheiden, was zu geschehen hat, habt Ihr verstanden? Und jetzt hinaus!«
»Aber ich …«
»Hinaus!«, brüllte Lavan und starrte Aryanwen dabei so wütend an, dass sie vor ihm erschrak. In all den Monaten, die sie nun bei ihm weilte, hatte sie ihn oftmals wütend, aber noch niemals so aufgewühlt erlebt. Die Nachricht, dass sein Sohn entführt worden war, hatte ihn tief getroffen – was, wenn er erfahren hätte, dass er nie einen Sohn gehabt hatte?
Aryanwen war klar, dass es keinen Sinn hatte zu widersprechen, also deutete sie eine Verbeugung an und begab sich zur Tür, gefolgt von Vigor. Während Lavan hinter ihnen am Tisch zusammensank, das Gesicht in den fleischigen Händen vergraben, huschten sie hinaus auf den von Säulen gesäumten und von Feuern beleuchteten Gang.
»Wie erfreulich, Euch wiedergesehen zu haben, Königin«, meinte Vigor mit unverhohlenem Spott.
»Die Freude kann ich nicht teilen«, konterte Aryanwen kühl. Mit aller Gewalt suchte sie die Bilder zu verbannen, die in ihr Bewusstsein drängten. Bilder von Vigor und seinen Schergen, wie sie Dag dazu zwangen, in eine Truhe mit Lichtsteinen zu blicken, und ihn auf diese Weise blendeten.
»Wie bedauerlich«, sagte der Zwerg nur. Dann trat er einen Schritt zur Seite und blieb stehen, sodass er Aryanwen den Weg versperrte, und sah sie durchdringend an. »Und dort draußen im Wald ist alles wirklich so geschehen, wie Ihr es geschildert habt?«, wollte er wissen.
»Warum fragt Ihr? Zweifelt Ihr etwa an meinen Worten?«
»Nicht unbedingt.« Er strich sich über den roten Bart. »Aber manches daran kam mir doch seltsam vor. Seht Ihr, ich weiß nicht viel über Menschenmütter – aber eine Zwergenmutter würde niemals ohne ihr Kind fliehen, selbst wenn es dabei um ihr Leben ginge. Stattdessen würde sie alles daran setzen, bei ihm zu bleiben und für es zu sorgen.«
»Was Ihr nicht sagt.« Aryanwen überspielte ihre Unruhe mit Hochmut. »Dann haben wir nun wohl etwas gefunden, worin sich Menschen von Zwergen unterscheiden.«
»Offenbar – obschon ich stets gedacht hatte, dass zumindest diese Eigenschaft allen Kreaturen Erdwelts gemeinsam wäre.«
»Selbst Ihr könnt Euch irren«, beschied ihm Aryanwen. »So wie ich mich offenbar in Euch geirrt habe.«
»Was meint Ihr?«
Aryanwen brauchte einen tiefen Atemzug, um nicht die Beherrschung zu verlieren. »Das letzte Mal, als wir einander begegneten, seid Ihr noch ein loyaler Untertan Winmars gewesen und wart nur zu gerne bereit, die Drecksarbeit für ihn zu erledigen. Nun finde ich Euch plötzlich an der Seite meines Gemahls als seinen Verbündeten und höre Euch gegen Euren Herrscher Partei ergreifen.«
Das Augenspiel des Zwergs war unmöglich zu deuten. »Wie es aussieht«, sagte er, »sind wir wohl beide in der Lage, Dinge zu tun, die der jeweils andere nicht erwartet hätte.«
»So hat es den Anschein«, stimmte Aryanwen zu. Dann beugte sie sich kurzerhand zu ihm hinab und senkte ihre Stimme. »Aber lasst Euch nicht täuschen, Vigor. Selbst wenn es im Augenblick so aussehen mag, als ob wir denselben Feind hätten – ich habe nichts vergessen. Irgendwann werdet Ihr für die Verbrechen bezahlen, die Ihr begangen habt. Eurer Bestrafung werdet Ihr nicht entgehen.«
Wenn Vigor
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