Die Koenigin der Schattenstadt
getreten und legte eine Hand auf seinen Arm. »Sie denkt an dich«, sagte sie überrascht.
Jordi sah sie fragend an.
Nuria Niebla lächelte, so warm und froh, dass Jordi wieder in den Sinn kam, wie ähnlich sie Catalina war. »Sie denkt an dich. Und du hast gerade an sie gedacht.«
Ich tue nichts anderes, wollte Jordi erwidern. Die ganze Zeit schon. Er sagte es aber nicht, sondern nickte nur.
Winzige Sterne regneten wie glitzernder Staub aus dem Dunkel der Nacht auf Lisboa nieder und dort, wo sie herabsanken, da zogen sich die Fäden der Meduza zurück und Jordi fühlte sich ganz wunderbar getröstet.
Nuria Niebla flüsterte fasziniert: »Sagen die alten Erzähler denn nicht, dass Liebende, wenn sie sich auf der Erde verloren haben und aneinander denken müssen, den Himmel rühren?« Sie seufzte, als erweise sich ein uraltes Märchen als wahrhaftig. »Die Natur spürt, was tief in uns vorgeht, Jordi Marí, das tut sie immer.«
Jordi lächelte unsicher, doch bevor er etwas erwidern konnte, hob Nuria Niebla die Hand. »Sag jetzt besser nichts, Junge. Komm einfach mit mir mit. Du kannst mir vertrauen.«
Noch immer sah er die Sterne vor sich, nahm ihren Glanz in sich auf, der sich in den Augen der alten Frau spiegelte, und wusste, dass etwas sich verändert hatte. Mit einem Mal machte er sich keine Gedanken mehr, ob Nuria ihn mit auf ihre Suche nehmen würde. Er würde Catalina finden. Und alles würde gut werden.
Er hob den Kopf und blickte Nuria an. Und dann nickte er.
Feuerfinger
Als Jordi sich hinter Nuria unter der niedrigen Tür aus schwerem Holz bückte, tauchte er in eine Welt voller Magie ein. Nuria war in den kleinen Laden hoch oben in der Alfama eingetreten, ohne sich die Mühe zu machen, anzuklopfen.
»So viele Gäste!« Eine junge Frau beugte sich über einen Tisch in der Mitte des vollgestopften Ladens. Sie hatte fein geschnittene Züge. Hals, Ohren und Nase waren mit exotischem Holzschmuck geschmückt. »Und das alles an nur einem einzigen launischen Tag.«
Jordi blickte sich staunend in dem kleinen Raum um. Amulette baumelten von der niedrigen Decke und die Leiber toter Tiere schwammen in trüben Einmachgläsern. Seltene Gewürze verströmten die Düfte ferner Länder. Krumme Regale voll merkwürdig geformter Tiegel und verstaubter Fläschchen bedeckten jeden Zentimeter der unverputzten Wand.
»Wie kann ich euch helfen?« Die Frau richtete sich auf und trat zwischen Krimskrams und Gerümpel hervor, das Magie und Zauberkunst ausatmete wie die Dunkelheit Kälte. Obwohl sie noch so jung war, hatten sich ihre Zähne schwarz verfärbt wie die eines Hafenarbeiters, der fortwährend Tabak zerkaut. Und als sie jetzt erkannte, wen sie vor sich hatte, kniff sie ihre braunen Augen zusammen. »Nuria Niebla?«
»Ich brauche deine Hilfe, Fado Mariza.«
Fado antwortete nicht. Sie nahm einen irdenen Krug vom Tisch und steckte ihn in einen großen Sack aus festem grobem Leinen, der ausgebreitet auf dem Boden lag. »Nuria Niebla«, wiederholte sie nachdenklich. »Warum wundert es mich nicht wirklich, dass du hier bist?«
Nuria antwortete nicht. Ihr Blick traf den der jungen Hexe und sie musterten sich in stummer Zwiesprache.
Endlich schüttelte die Jüngere den Kopf. »Ja, ich habe es gesehen«, sagte sie, als ob Nuria eine Frage gestellt hätte. »Drüben, über dem Castelo. Malfuria ist tatsächlich zum Sterben in meine Stadt gekommen.« Sie wies auf den Sack unter dem Tisch. »Ich denke, dass ich Lisboa verlassen werde. Und ihr solltet das auch tun.«
Jordi stand nur schweigend da. Er fühlte sich fehl am Platz. Die Frauen schienen sich ohne Worte zu verstehen. Und sie kannten sich offenbar gut. Ob sie einander leiden konnten, vermochte er nicht zu sagen.
Nuria Niebla sagte: »Wir haben es auch gesehen.«
Fado Mariza prüfte schnell einige Pülverchen, die in winzigen Beuteln verschnürt waren, und steckte sie zu den anderen Sachen in den Leinensack. »Die Mephistia hat also ihr Gesicht gezeigt.«
Nuria nickte traurig.
»Weißt du, wer sie ist?«
Die alte Frau schloss für einen ganz winzigen Augenblick die Augen, dann sagte sie: »Sarita.«
»Deine Tochter? Catalinas Mutter?«
»All die Jahre befürchtete ich, dass so etwas geschehen könnte.« Nuria sah aus, als zwänge die Last der ganzen Welt ihr dieses Nicken auf. »Vielleicht ist es auch Catalina gewesen.«
»Warum glaubst du das?« Fado sah die alte Hexe lauernd an.
»Nur die beiden haben außer mir noch die Gabe. Niemand sonst hätte
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