Die Koenigin der Schattenstadt
den Rabenfedernsturm vernichten können.«
Fado bleckte die Zähne wie ein Tier. Sie nickte nachdenklich, bevor sie sich wieder in Bewegung setzte. Sie warf ihren beiden Gästen Blicke zu, die nur schwer zu deuten waren, und sammelte seltsam geformte Utensilien aus Draht und Metall für die Flucht aus der Stadt ein.
»Ich, für meinen Teil, weine der alten Katzenhexe keine einzige Träne nach«, sagte sie schließlich abfällig. »Hat Agata la Gataza nicht schon immer ihr eigenes Spiel gespielt? Ich weiß es und du vermutlich auch, Nuria. Du hast La Gataza gehasst, gib es zu, wenigstens jetzt.« Die junge Hexe zog den Sack hinter sich durch den Laden, in dem von irgendwoher ein leises Klimpern erklang.
»Malfuria und La Gataza sind eins, das waren sie schon immer. Wenn Malfuria tot ist, dann ist sie es auch.«
Fado zuckte die Achseln. »Wäre das schlimm?«
Niemand gab ihr eine Antwort auf die Frage.
Jordi fröstelte. Es war kalt hier drin.
»Catalina ist bei mir gewesen«, sagte Fado Mariza und stellte den Sack ab.
Jordi erwachte zum Leben. »Wann ist das gewesen?«
»Bevor Malfuria gestorben ist.« Sie überlegte, nur kurz. »Eine Stunde zuvor.«
Jordi trat einen Schritt auf sie zu. »Was hat Catalina –«, begann er, doch er stockte, als sich plötzlich eine Schlange, die ganz aus Mosaiksteinchen bestand, zwischen den Gefäßen auf dem Tisch hindurchringelte.
Fado streckte den Arm nach ihr aus und nahm das Tier zu sich. Sie zwinkerte Jordi zu. »So viele Fragen hast du«, sagte sie. »Ich sehe es dir an. Und vielleicht hab ich ein paar Antworten für dich.« Sie streichelte der Schlange über den kleinen Kopf, doch dann sah sie lauernd hoch. »Aber erst mal müssen wir von hier verschwinden.« Sie blickte zur Tür. »Die Culebra wittert die Finsternis.«
Etwas schlug gegen die Wand des Hauses.
Das Regal, das dort stand, kippte um und alles, was sich in ihm befand, fiel scheppernd und klirrend zu Boden.
»Sie sind schon hier!« Fado sprang schnell zur Tür und verriegelte sie, als würde das etwas nützen. »Draußen, Junge! Spürst du es auch?« Sie ließ die Tür nicht aus den Augen.
»Ich heiße Jordi.«
Sie sah ihn an und lächelte. »Hallo Jordi. Ich bin Fado Mariza.«
»Kannst du dich des Jungen annehmen?«, fragte Nuria Niebla. Ihre Stimme klang plötzlich ganz anders, tief und drängend.
Fado Mariza hob den schweren Leinensack auf und warf ihn Jordi zu. »Du kannst damit anfangen, das hier zu tragen, wenn wir verschwinden.«
Jordi blickte zu Nuria Niebla hinüber, die den Kopf geneigt hatte und auf das horchte, was draußen vor sich ging.
»Ich gehe mit Nuria«, sagte Jordi mit fester Stimme. »Ich muss Catalina finden.«
»Aha. Störrisch wie ein Esel«, kommentierte Fado die Bemerkung.
»Er will meine Enkelin finden.« In Nurias Stimme schwang Verständnis mit und Jordi spürte, wie die Hoffnung in ihm übermächtig wurde, dass sie ihn doch noch mitnehmen würde.
»Catalina ist längst fort«, stellte Fado Mariza lapidar fest. »Wisst ihr, wer Makris de los Santos ist? Sie ist eine Zigeunerhexe. Sie kann die Magie nicht benutzen, aber sie kennt viele Tricks. Sie hat Catalina begleitet, vorhin, und . . .«
In diesem Moment schlug etwas durch und durch Schweres gegen die Tür.
Was immer es war, es musste stark sein. Und viel, viel größer als ein Harlekin oder ein Schattenaugenmensch.
»Wir haben keine Schatten gesehen, als wir herkamen«, murmelte Jordi. »Nicht in den Gassen der Alfama, nur oben am Himmel.«
»Sie sind schneller, als man glaubt.« Fado streichelte beruhigend die Culebra, die sich aufgeregt um ihren Arm ringelte.
Draußen scharrten wuselnde Füße gegen das feste Holz der Tür. Tausende und Abertausende mochten es sein, und klein, so winzig klein.
»Was ist das?« Fado Mariza starrte auf den Boden unter der Tür.
Tiere kamen dort hervorgekrochen.
Hungrig zwängten sie ihre gepanzerten und schwarzen Chitinleiber durch jeden Winkel, drangen in das Haus ein, als gebe es nicht das geringste Hindernis. Kleine wendige Punkte hektischer Nachtschwärze krabbelten dort überall herum. So groß wie Kinderfinger, manche auch kleiner.
Jordi erkannte voller Ekel, was die Punkte waren. »Kakerlaken«, schrie er.
Nuria Niebla fluchte. »Die Schatten leben in ihnen.«
Das Rascheln war jetzt überall auf der Tür zu hören. Der Gedanke, dass die schwere Tür auf der anderen Seite mit Kakerlaken bedeckt war, deren Körper diese widerwärtigen Geräusche machten, erfüllte
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