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Die Koenigin der Schattenstadt

Die Koenigin der Schattenstadt

Titel: Die Koenigin der Schattenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Fingernagel und ließ es ruhig fallen. Sofort loderte das Feuer um sie herum auf.
    Jordi taumelte zurück, so groß war die Hitze der hoch aufschlagenden Flammen, die den Laden in unruhiges Licht und viele tanzende Schatten tauchten und nach Vorhängen, Holz, Regalen, Tand und Krimskrams griffen.
    Das Feuer umarmte Nuria Niebla in Windeseile und es sah so aus, als würde sie in den Flammen sogar ein wenig durchsichtig werden. Es schien ihr keine Schmerzen zu bereiten. Langsam, ganz langsam begann das Feuer mit der Nebelhexe darin zu wandern, bewegte sich in Richtung der schmalen runden Fenster.
    »Sie reist mit den Flammen, wie es die weisen Frauen vor langer Zeit schon getan haben.« Fado Mariza folgte fasziniert dem Schauspiel.
    Jordi hörte sie sprechen, doch er achtete nicht auf die Worte. Noch immer konnte er nicht glauben, was hier geschah. Nuria hätte ihn zu Catalina führen können! Sie war vielleicht die Einzige, die das konnte!
    Die Tür zerbarst in viele Splitter, als etwas sich von draußen gegen sie warf.
    Fado wurde bleich vor Furcht.
    Die Flammen, in denen Nuria Niebla reiste, begannen aufgeschreckt zu flackern.
    Ein pulsierender Finsterfaden, breit wie der Arm eines Kraken, hatte die Tür zerschmettert und schob sich in den Raum hinein. Ohne Zögern packte er die Flammen, die um Nuria Niebla züngelten und die fast das Fenster erreicht hatten. Es sah aus, als würde der pechschwarze Finsterfaden mitten in die Flammen hineinstechen. Er vollführte eine ruckartige Drehung und das Feuer wurde mitsamt der alten Frau durch den Raum geschleudert.
    Jordi spürte, wie Fado ihn schnell und unsanft zur Seite stieß, sodass das Feuer ihn um Haaresbreite verfehlte. Schwer prallte er gegen die Kante des Tisches und stöhnte vor Schmerzen laut auf.
    Dann sah er, dass die hektisch kreischenden Flammen Fado Mariza mit sich gerissen hatten. Der beißende Gestank ihres brennenden Haars schlug dem Jungen mitsamt der Hitze ins Gesicht und wurde schnell eins mit den Schreien der jungen Frau, so kläglich wimmernd und hilflos und voll des Schmerzes, dass der Junge sich nicht auszumalen wagte, was die junge Hexe empfand.
    Schreie der allertiefsten Verzweiflung waren es, die zu einem tosenden Kreischen fern jeder Hoffnung wurden und dann schnell, ganz schnell, erstarben.
    Überall knisterte es, überall züngelten die Flammen nach Nahrung.
    Jordi kauerte am Boden und zitterte. Rauch nahm ihm den Atem, ließ ihm keinen Moment zum Verstehen, zum Verweilen, zur Trauer.
    Die Flammen, die aus dem Feuer stoben, sprangen im Laden umher und verbrannten, was sich ihnen in den Weg stellte.
    Der Finsterfaden schob sich schnell wie eine Peitschenschnur durch den Raum und packte erneut den kümmerlichen Rest der Flamme, die Nuria in ihrer Mitte trug. Das Feuer biss sich seinerseits in der schattenhaften Finsternis des Tentakels aus Nacht und Nichts fest, kletterte an ihm empor und brannte große Fetzen aus ihm heraus. Der Finsterfaden stieß einen Ton aus dem Innersten, der wie berstendes Eis in der Sonne war.
    Die alte Frau schrie.
    Etwas funktionierte nicht mehr mit ihrem Feuerzauber. Jordi war nicht gerade bewandert in den magischen Künsten, aber um das herauszufinden, bedurfte es keiner besonderen Kenntnisse. Jeder hätte es bemerkt, wirklich jeder.
    Denn Nuria Niebla brannte.
    Jordi sah es mit eigenen Augen.
    Zappelnde Finsterfädenstücke packten sie an den greisen Haaren und zogen sie aus den Flammen heraus. Ihre Kleidung fing Feuer und dann murmelte ihr Mund erstickte Laute. Mit beiden Händen griff sie nach dem Finsterfaden und kleine Funken aus Furcht flossen ihr dabei aus den Fingern. Mit Feuer in den alten Augen sah sie den Jungen an und ihre geschwärzten Lippen formten ein einziges Wort: »Lauf!«
    Und am Ende war es dieses eine einsame Wort, das Jordi aus seiner Erstarrung riss. Vielleicht war auch ein Zauber dabei, wer konnte das schon sagen?
    Der Junge sprang jedenfalls auf die Beine und rannte durch die wilden Flammen nach draußen. Das Feuer leckte an seiner Hose, seinem Hemd, den Haaren. Wild und aufgeregt schlug er nach den Flammen, die ihn zu packen versuchten, und hoffte inständig, dass er es bis zur Tür schaffte.
    Bitte!
    Nur diese kurze Strecke!
    Der wütende Finsterfaden beachtete den Jungen nicht. Er hatte Nuria Niebla ergriffen und wirbelte die Nebelhexe durch den Raum, der zu einem lichterlohen Inferno geworden war. Das Letzte, was Jordi sah, war Nuria, die mit beiden Händen ein Loch in den Finsterfaden

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