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Die Koenigin der Schattenstadt

Die Koenigin der Schattenstadt

Titel: Die Koenigin der Schattenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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noch am Leben war, das fühlte er. Ja, er wusste es einfach. Irgendwo da draußen musste sie sein, so viel war sicher. Aber mit jeder Minute entfernte er sich weiter von ihr.
    »Catalina«, flüsterte er ganz leise ihren Namen in die Stille des anbrechenden Tages, einfach nur, um ihn einmal gesagt zu haben und um für einen kurzen Moment der Magie zu lauschen, die sein Klang für ihn hatte.
    Er hatte gehofft, dass Makris de los Santos, die Zigeunerhexe, ihm Antworten geben konnte, wenigstens ein paar. Doch die junge Frau mit den pechschwarzen Haaren und dem vielen Schmuck schlief noch immer – unten im Bauch des Falken – vollkommen bewegungslos und starr.
    Kamino war mit Jordi bei ihr gewesen.
    »Als Catalina und du nach dem kurzen Zusammentreffen auf den flüsternden Märkten verschwunden seid«, hatte sie erklärt, »da sind wir gemeinsam geflohen, Makris de los Santos und ich. Ich habe eine Leuchtkugel in den Nachthimmel geschossen und kurz darauf ist der Falke erschienen, um uns an Bord zu nehmen.«
    Kamino hatte behutsam die Decke zurechtgezogen, die sie über die reglose Gestalt gebreitet hatten. Ein Arm der jungen Frau war ganz mit bunten Mosaiksteinchen bedeckt, Jordi hatte es ganz deutlich gesehen. »Makris hat behauptet, dass sie nur einen Moment ausruhen müsste. Doch bis jetzt ist sie nicht aufgewacht.«
    Sie hatten der jungen Frau, die mit ihren geschlossenen Augen dalag wie eine Tote, noch einen letzten Blick geschenkt und sich dann an die Arbeit gemacht.
    Jordi seufzte und beugte sich über die Reling. Finsterfalter oder Schlimmeres hatten die Schläuche und Leitungen des Fluggefährts teilweise angenagt und der Kapitän befürchtete, dass sie, würde der Falke erneut in einem Gefecht belastet, reißen könnten. Es war Jordis Aufgabe, die rissigen Schläuche zu verstärken. Er rieb sie mit portugiesischem Limonenleim ein und befestigte kleine Metallplättchen an dem Stoff, der an manchen Stellen wirklich arg mitgenommen aussah. Eisenhaut, so nannten die Windwanderer die seltsamen Flicken aus dehnbarem atmendem Metall.
    Der Falke glitt ruhig über die Dünen einer Wüste dahin. Innen, auf einem der unteren Decks, half Karim Kopernikus dem Kapitän dabei, die Schäden an den hydraulischen Maschinen zu beheben, die dem Falken während seiner Flucht aus Lisboa zugefügt worden waren. Sie hatten schon vor Stunden den Höhenmesser eingebaut, sodass der Falke jetzt fast wieder voll einsatzfähig war.
    Die Schatten hatten sie nicht weiter verfolgt, nachdem sie die Blockade durchbrochen hatten. Irgendwie war auf einmal alles sehr einfach gewesen. Nachdem sie wie ein Pfeil aus dem Wrack der Galeonenstadt in den neuen Tag geschossen waren, hatte Cortez den Falken hoch in den Himmel hinaufgebracht.
    »Wir nehmen Kurs auf Marrakech«, hatte er vorgeschlagen, als Lisboa nur eine Erinnerung am Horizont war. »Das ist die nächste große Stadt. Und weit genug entfernt von den Orten, die jetzt finster sind.«
    So hatten sie den Kurs gesetzt und der Falke hatte sich auf die Reise begeben.
    »Ihr solltet Gibraltar umfliegen«, hatte Kopernikus vorgeschlagen. »Die fliegenden Galeonen sind dort zu Hause. Wir sollten nicht riskieren, entdeckt zu werden.«
    Die Seufzerstürme hatten sie bei Jerez de la Frontera auf die atlantische See hinausgetragen und dort waren sie inmitten dichter Wolken gereist, bis sie die braungelbe Küste des nördlichen Mauretaniens erreicht hatten.
    Das Land unter ihnen hatte sich im raschen Wechsel verändert. Die grünen Küstenstreifen mit ihren kleinen Häfen und Städten verschwanden, die Erde wurde schroffer, hügeliger und ein zackiges Gebirge schälte sich aus dem Felsgestein. Dann wehte feiner Sand in der Luft, der in die Ritzen und Winkel drang, heiß und hartnäckig.
    »Das sind die Sendboten der Zahara«, hatte Cortez erklärt, »das ist der Name, den die Windwanderer dem Dünenmeer geben. Sie wandern, sagt man, immer weiter nach Norden.«
    Er hatte Erdnüsse geknackt und den Kurs gehalten. »Marrakech ist einst grün gewesen, aber heute liegt die Stadt in der Wüste.«
    Jordi hatte genickt. »Sind wir dort sicher?«
    Santiago Cortez hatte ihm sein Goldzähnegrinsen gezeigt. »So sicher, wie man in Zeiten wie diesen irgendwo sicher sein kann.«
    Jordi griff nach einem dicken Schlauch, der zu den riesigen Ballons auf der Unterseite der rechten Tragfläche führte. Auf seinem Weg durch den Falken hatte der Junge nach Fenster und Öffnungen suchen müssen, die ihm Zugang zu den

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