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Die Koenigin der Schattenstadt

Die Koenigin der Schattenstadt

Titel: Die Koenigin der Schattenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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nichts Schlimmes zugestoßen?«
    El Cuento wehte neben dem Falken her, verfing sich im Gestänge der Flügel und zwischen den Ballons. Aber Jordi verstand ihn nicht.
    Mist! Das konnte doch nicht wahr sein! Jetzt, wo er endlich das erste Lebenszeichen von Catalina hatte!
    »Kannst du schreiben?«
    Der Wind legte sich. Bedeutete das ein Nein?
    Jordi kniete sich auf den Boden. Feiner gelbbrauner Sand bedeckte den Laufsteg. Schnell strich der Junge den Sandbelag mit den Fingern glatt. »Du kannst den Sand so verwehen, dass ich die Worte lesen kann«, schlug er vor und hoffte inständig, dass der Wind ihn verstand. Wenn es funktionieren würde, dann hätte er einen Weg gefunden, wie er sich mit El Cuento verständigen konnte. Dann würde er endlich erfahren, was er wusste und was Catalina widerfahren war.
    Gebannt starrte er auf den Sand. Die feinen Körnchen rieselten ruhig auf den Eisenplatten umher. El Cuento wehte einmal durch den Sand.
    Jordi legte den Kopf schief und starrte auf die Spuren.
    Und das war?
    Nichts!
    Herrje, was hatte er denn erwartet? Einen Wind, der Buchstaben in den Sand wehen konnte? »Woher sollst du es auch können?«, murmelte er.
    Zustimmendes Wehen von der Seite.
    Dann hatte Jordi eine neue Idee.
    »Aber du kannst mir ins Gesicht wehen, wenn die Antwort auf meine Frage ein Ja ist.« Genau! So müsste es funktionieren. »Ich stelle dir einfach eine Frage, und wenn du mit Ja antwortest, gibst du mir ein Zeichen. Dann bläst du mir ins Gesicht!«
    El Cuento wehte ihm ins Gesicht. Und Jordi hoffte, dass dies ein Ja bedeutete.
    »Geht es Catalina gut?«
    Kein Wehen.
    »Heißt das, du weißt es nicht?«
    Wehen.
    »Ist sie allein?«
    Wieder kein Wehen.
    Bedeutete das nun, dass Catalina nicht allein war? Oder nur, dass der Wind es nicht wusste?
    »Ist jemand bei ihr?«
    Wehen.
    »Ist Nuria Niebla bei ihr?« Er wusste, dass es vermutlich eine unnötige Frage war, aber vielleicht hatte die alte Frau ja doch überlebt. Sie besaß immerhin magische Fähigkeiten.
    Nichts, kein Lüftchen.
    Also war Nuria nicht bei Catalina.
    »Ist da jemand anderes?«
    Wisperndes Wehen.
    »Jemand, den sie kennt?«
    Wehen.
    Jordi überlegte. »Jemand, den auch ich kenne?«
    Diesmal kein Wehen.
    Jordi seufzte. »Jemand, der sich um sie kümmert?«
    Der Wind zögerte, ein wenig nur. Dann blies er ihm die Haare aus dem Gesicht.
    »Haben die Schatten Catalina angegriffen?«
    Ein Windhauch, zögernd, der sich sofort wieder zurückzog.
    Jordi verdrehte die Augen. Es war doch nicht so einfach, wie er es sich gedacht hatte.
    »Ist sie wenigstens in Sicherheit?«
    Nichts.
    »Warum bist du nicht bei ihr geblieben?« Er schüttelte den Kopf. Nein, nein, falsche Frage. Er verbesserte sich schnell. »Hat sie dich fortgeschickt?«
    El Cuento wehte dem Jungen zweimal kräftig ins Gesicht.
    »Du hast sie alleingelassen, weil sie es so wollte?«
    El Cuento zögerte. Dann wehte er erneut durch Jordis Haare.
    »Wollte sie, dass du zu mir kommst?«
    Schnelles Wehen.
    Jordis Herz schlug schneller. Catalina hatte den Wind gebeten, ihn zu finden. Konnte das bedeuten . . .?
    »Weiß sie, was passiert ist?« Er schrie fast. »Ich meine«, fuhr er etwas ruhiger fort, »hat ihr jemand gesagt, was mit meinen Erinnerungen geschehen ist? Hat ihr jemand gesagt, warum ich sie nicht wiedererkannt habe, auf den flüsternden Märkten?«
    Wehen.
    Jordi stieß die Luft aus.
    »Woher wusste sie es?«
    Nichts.
    Falsche Frage. Jordi überlegte kurz. Er musste erneut an die Flucht im Pájaro denken. An den Wind, der ihm durch sein Haar gefahren war. War der Wind schon damals bei ihm gewesen?
    »Du hast es ihr gesagt!«
    Wehen.
    »Du bist mir seit Barcelona gefolgt und ich habe dich nicht erkannt? Du warst im Pájaro bei mir und in Lisboa?«
    El Cuento wehte ihm einmal schnell um den Kopf herum und ließ ein leises Pfeifen erklingen, als er durch das Flügelgestänge zischte und wieder zu dem Jungen zurückkehrte.
    »Dann weiß sie auch, warum ich so abwesend gewesen bin?«
    El Cuento pfiff an der Rundreling entlang.
    Und Jordi fiel ein Stein vom Herzen. Die plötzliche Gewissheit, dass es kein Missverständnis mehr zwischen Catalina und ihm gab, wie weit sie auch immer voneinander entfernt waren, machte aus diesem Tag einen ganz und gar wunderbaren Tag.
    »Du weißt aber nicht, was mit ihr passiert ist? Ich meine, wo sie jetzt ist oder wo sie hingegangen ist?«
    Ein abgehacktes wehmütiges Wehen.
    Jordi ging hektisch auf und ab, schaute nach unten in die Wüste

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