Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Koenigin der Schattenstadt

Die Koenigin der Schattenstadt

Titel: Die Koenigin der Schattenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
musste sie kommen, das war das Ziel, das sie vorantrieb, Márquez hatte es gesagt. Und mehr war nicht wichtig.
    Die Rua de Sao Miguel kreuzte ihren Weg. Sie mündete in einen Ort, der wie ein Friedhof für Fluggeräte aussah, wo die Skelette seltsamer Flieger ineinander verkeilt herumlagen. Drüben, am Horizont, wanderte die Sagrada Família in eine Richtung, die Norden, Süden, Osten oder Westen sein mochte, Catalina wusste es nicht.
    Und dann stand sie plötzlich vor ihr.
    Hunderte Male war Catalina durch diese Tür geschritten, die Stufen zu dem Dachgarten emporgestiegen und oben, ganz oben auf dem Dach, da hatte sie dann die Windmühle betreten.
    Wie angewurzelt stand sie da, vor dem Ort, der bis vor wenigen Tagen noch ihr Zuhause gewesen war. Sie blickte in die Höhe und staunte.
    Es war wirklich, wie Márquez gesagt hatte.
    Dies hier war natürlich nicht die Carrer de Roman Pinol und von der Porta Francolina war auch nicht das Geringste zu sehen, aber dennoch stand da das Haus mit der alten Windmühle, die nie mehr als zwei Flügel besessen hatte.
    Die Flickenfetzen, die das Mädchen einst in mühevoller Kleinarbeit zusammengefügt hatte, waren verschwunden. Davongeflogen, hinaus in die Nacht, sie wusste, warum.
    Miércoles stupste sie an. Er überschritt als Erster die Schwelle. Catalina tat es ihm gleich, bevor das Haus samt Windmühle in der nächsten Straße verschwinden würde.
    Wie gebannt betrat sie den Ort, an dem sie sich so wohlgefühlt hatte. Auf einmal war alles wieder da. Die Einsamkeit, die sie einst hier verspürt und schließlich dank Márquez überwunden hatte. Die Freude, sich mit Tusche und Stiften an der Kartenmalerei versuchen zu dürfen. Die Augenblicke, in denen sie aus dem runden Fenster hoch oben auf die Dächer der singenden Stadt geschaut hatte.
    »Eines Tages«, hatte ihre Mutter gesagt, bevor sie Catalina hier zurückließ, »wird die Stadt auch für dich singen.«
    Und das hatte Barcelona getan. Zuerst ganz leise, dann beschwingter und am Ende jeden Moment, den sie wach war, und jeden, den sie schlief.
    Wie lange war das nun her?
    »Das ist mein Zuhause«, flüsterte sie dem Kater zu, der geduldig lauschte.
    Dann führte sie Miércoles die steile Treppe hinauf zum Garten auf dem Dach, in dessen Mitte sich die Windmühle befand. Gemüse und Kräuter wuchsen dort nicht mehr, dafür aber dornige Dattelzweige, die wie Disteln aussahen.
    Catalina ließ ihren Blick über die Zinnen der Schattenstadt wandern. Tief unten veränderten sich die Straßen und die Gasse, von der aus Catalina und Miércoles das Haus betreten hatten, war in der kurzen Zeit, die sie mit dem Aufstieg verbracht hatten, einem tiefen Kanal gewichen, auf dessen Wassern sich die Flügel der Mühle spiegelten.
    »Komm mit!« Zielsicher ging Catalina zur Windmühle.
    Die Tür stand offen.
    Sie trat ein und schloss die Augen, ganz kurz nur. Es roch sogar noch so wie früher. Sie durchquerte den unteren Raum, in dessen Mitte sich die Königsspindel befand, und eilte zum Zeichentisch, der umgestoßen auf dem Boden lag. Noch immer war der Raum völlig verwüstet vom Kampf gegen den Harlekin.
    Catalina kniete sich neben die Pergamentrollen, die quer über den ganzen Raum verstreut lagen. Es tat ihr weh, sie so zu sehen. Es war nur Papier, das wusste sie, aber sie hatte so viele Stunden damit verbracht, es zu etwas Besonderem zu machen. Sie betrachtete die Zeichnungen und ihr wurde einmal mehr bewusst, dass sie mehr tun konnte, als bloße Landkarten anzufertigen.
    Seufzend erhob sie sich, ging gedankenverloren durch den Raum, fasste alle möglichen Gegenstände an, stellte sie dorthin zurück, wo sie hingehörten, und blieb vor dem Bett stehen, auf dem Márquez geschlafen hatte. Langsam setzte sie sich.
    Miércoles sprang zu ihr herauf.
    »Meine Mutter«, sagte Catalina, »ist böse.« Sie musste wieder an die Cala Silencio denken, an der sie ihre Kindheit verbracht hatte, an den Tod ihres Vaters in den Tiefen der See. Ihre Mutter war es, die ihren Vater auf dem Gewissen hatte. »Vielleicht bin ich auch böse?«
    Sarita Soleado und Nuria Niebla hatten sich schon entzweit, als Catalina noch ein kleines Mädchen gewesen war, und das aus einem Grund, den sie noch immer nicht kannte.
    Aber es musste der Grund sein, warum Sarita Soleado die Dinge ins Rollen gebracht hatte, die jetzt eine ganze Welt unter sich zu begraben drohten. Ihre eigene Mutter hatte sich mit den Schatten und dem Haus Karfax verbündet, um Malfuria zu

Weitere Kostenlose Bücher