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Die Koenigin der Schattenstadt

Die Koenigin der Schattenstadt

Titel: Die Koenigin der Schattenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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habe keine Ahnung.«
    »Dann sind wir uns ja gar nicht so unähnlich«, bemerkte Catalina nur. Immerhin hatte Sarita sie zur Windmühle nach Barcelona gebracht und einfach dort zurückgelassen.
    Sie warf einen Blick in die Stadt hinaus, die noch immer in Bewegung war. Ein neuer Kanal bildete sich gerade vor ihrem Fenster, eine Schaluppe, die Teeballen geladen hatte, dümpelte im seichten Wasser.
    Rätsel über Rätsel, dachte sie. Wenn eins kommt, gesellt sich das nächste gleich dazu.
    Sie sprang vom Fenstersims und ging hinüber zu dem Regal mit den Farben und den vielen Tuschestiften.
    »Márquez hat uns nicht ohne Grund in die Mühle geschickt«, sagte sie. »Er hat davon gesprochen, dass ich hier finden würde, was ich brauche.«
    Sie schritt an den Wänden entlang und betrachtete die Karten, die überall die Wände bedeckten, oder vielmehr die Schatten der alten Karten, die glanzvolle Namen wie Tabula Peutingerana trugen.
    Was hatte der alte Kartenmacher gemeint? Was sollte sie hier finden?
    Sie blieb vor der Mappea Mundi stehen, einer kunstvollen Karte aus dem Mittelalter, die auch Regionen und Länder jenseits der bekannten Welt zeigte.
    »Nicht viele Menschen«, hatte Márquez ihr die weißen Flecken auf dieser Karte erklärt, »machen sich die Mühe, das Unbekannte zu verstehen. Viel zu oft gibt man dem Fremden die Schuld.«
    Und jetzt?
    Sie selbst war eine Hexe. Ein Rätsel, wie Miércoles es formuliert hatte. Jemand, den die anderen fürchteten. Sie war seltsam, widernatürlich.
    Catalina hob einen Becher auf, der zu Boden gefallen war, betrachtete ihn. War dies nur der Schatten eines Bechers? Sie stellte ihn auf den Herd. Dann fragte sie den kleinen Sphinx: »Warum kannst du eigentlich hier sein?«
    »Hier, an diesem Ort?«
    »Ja.«
    »Katzen und Sphinxe sehen die Schatten mit anderen Augen, das haben wir schon immer getan.«
    »Was sind denn die Schatten?«
    »Die Schatten sind nicht weniger als das Leben«, sagte Miércoles. »Sie gehören, wenn sie echt sind, zu den Menschen, wie die Menschen zu den Schatten gehören. Das eine kann es nun einmal ohne das andere nicht geben. Die Schatten waren uns niemals böse gesonnen.«
    »Ich habe gesehen, was sie tun können.«
    Miércoles seufzte. »Die Schatten umgeben jeden Menschen und so vieles spiegelt sich in ihnen, von dem die Träger nichts ahnen. Glück, Traurigkeit, Hoffnung, Vergessen – all das zeigt sich in der Farbe, die ein Schatten trägt. Schatten, musst du wissen, sind wie eine Aura. Die Seele kann sich in sie flüchten, wenn sie möchte. Und wenn du lange genug in den Schatten blickst, dann blickt der Schatten irgendwann einmal auch in dich.« Er lächelte. »Deswegen, weil er ein Teil von jedem ist, leben die Menschen in dieser Stadt als Schatten fort.«
    Catalina nickte.
    Dann fiel ihr auf, dass sie keinen Schatten mehr hatte, genauso wenig wie Miércoles. Jedenfalls nicht hier.
    »Warum gibt es diese Stadt?«
    Miércoles sah ratlos aus. »Ich weiß es nicht. Aber die Katzenhexe hat viel mehr über diesen Ort gewusst, als sie preisgab. La Gataza hatte ihre Geheimnisse, die sie mit niemandem teilen wollte.«
    »Ja, das hatte sie.« Catalina erinnerte sich, wie die alte Katzenhexe sie mit ihrer Vieldeutigkeit in den Wahnsinn getrieben hatte. Nie hatte sie etwas erklärt, immer nur bestimmt.
    Miércoles leckte sich nachdenklich die Pfote. »Etwas hat La Gataza mit den Kartenmacherinnen verbunden. Und etwas hat sie mit dieser Stadt hier verbunden. Malfuria und La Sombría, sie haben eine gemeinsame Vergangenheit. Wesen, die sich so abgrundtief hassen, wie Agata la Gataza und La Sombría es tun, müssen einfach eine gemeinsame Vergangenheit haben.«
    Catalina schritt durch den Raum, suchte nach Anhaltspunkten. »Du weißt nicht zufällig, weswegen wir hier sind, oder?«
    Miércoles schnurrte sanft. »Wir Sphinxe sind gut darin, Rätsel aufzugeben. Aber sie zu lösen ist noch nie unsere Stärke gewesen.« Er zwinkerte ihr zu. »Deswegen sind wir aus Saba vertrieben worden.«
    Catalina starrte ihn an. »Du bist ein ziemlich seltsamer Sphinx.«
    Rastlos ging sie auf und ab. In die Küche und die kleine Ecke mit den Holzscheiten für den Herd, vorbei an dem Vorsprung in der Mauer, der als eine Art Tisch genutzt worden war. Zur Königsspindel in der Mitte des Raums, mit deren Hilfe der sanft knatternde Generator betrieben worden war, und wieder zurück in die Küche.
    Gedankenverloren richtete sie einen der umgeworfenen Stühle wieder auf. Und als sie

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