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Die Koenigin der Schattenstadt

Die Koenigin der Schattenstadt

Titel: Die Koenigin der Schattenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Wimpernschlag einer einzigen Berührung ganz schütter und grau geworden. Alles, was einmal Kopernikus gewesen war, hatte er ihr geschenkt.
    »Leb wohl«, sagte er und verließ die Messe.
    Makris saß auf ihrem Stuhl und ihre Gesichtsfarbe war so bleich wie frisch gefallener Schnee. Die Träne rollte ihre Wange hinab und ihre Steinaugen schimmerten wie eh und je. Doch der Ausdruck auf ihrem Gesicht war nicht länger kalt und leblos. Zum ersten Mal, seit sie aus ihrem Schlaf erwacht war, konnte man glauben, dass Makris de los Santos lächelte.
    Jordi drehte sich um und begann zu laufen, schnell wie der Wind. Und erst als er den Pájaro erreichte, stellte er fest, dass er die ganze Zeit über den Aquamarin fest in der Hand gehalten hatte.

Pájaro in der Wüstenwelt
    Kopernikus war bereits in den Kolibri geklettert und hatte die Maschine angeworfen. Klickende und klackende Geräusche spuckte die rostige Maschine aus. Die Mechanik in dem hölzernen Fluggerät erwachte zum Leben und die beiden Flügelschwingen entfalteten sich zu voller Größe.
    »Was habt Ihr mit Makris gemacht?« Jordi betätigte den Hebel, mit dem sich die Landebucht ganz öffnen ließ. Dann kletterte auch er in den Pájaro.
    Der alte Mann, der Kopernikus in den wenigen Augenblicken geworden war, seitdem sie die Messe verlassen hatten, zog den Steuerknüppel mit einem Ruck nach hinten. »Ich habe ihr mein Leben geschenkt.«
    Er blickte nach vorne, durch die Luke in die gleißende Wüstenwelt. Dann prüfte er erneut die Anzeigen im Pájaro.
    Draußen, vor der Landebucht, näherten sich die Galeone und der kreischende Sturm aus Rabenfedern.
    »Ihr wollt das wirklich machen?«, fragte Jordi.
    Kopernikus warf einen Blick nach hinten, der mehr ausdrückte, als Worte es je hätten tun können. »Die Schatten sind jetzt ganz nah«, sagte er. Ein heißer Wind wehte von draußen in die Landebucht hinein. »Ich hoffe, auch du weißt, was wir da vorhaben.«
    Der Junge wich seinem Blick nicht aus. »Ja.«
    Kopernikus drehte sich wieder nach vorn. Jordi konnte erkennen, wie knochig und gebeugt sein Rücken plötzlich war. »Wenn du erst einmal ein Schatten bist, gibt es kein Zurück mehr. Du wirst für immer in der Schattenstadt bleiben müssen.«
    »Das, was Ihr eben für Makris getan habt –« Jordi brach ab. Er wusste, dass Kopernikus ihn auch ohne Worte verstand. »Ich muss Catalina finden.« Er betrachtete den Aquamarin und steckte ihn dann in die Hosentasche.
    »Dann lass uns keine Zeit verlieren.« Selbst Kopernikus’ Stimme klang jetzt alt, wie morsches Holz, das zersplitterte.
    Jordi spürte, wie ihm ein Kloß in seine Kehle stieg, der ihm das Schlucken schwer machte. Er glaubte zu wissen, was sein Freund für Makris getan hatte und was nun mit ihm geschah. Und er fragte sich, wie lange er noch durchhalten würde.
    Kopernikus löste die Klemmen, die den Kolibri gehalten hatten. Es gab einen kurzen Ruck, dann schwang das kleine Fluggerät aus der Halterung.
    Einen Moment lang stand es mitten in der Luft, ganz so wie der kleine Vogel gleichen Namens, wenn er seinen Schnabel im Blütenkelch versinken lässt. Eine sanfte Brise ging von den Flügeln aus, die so schnell schlugen, dass sie für das Auge nahezu unsichtbar wurden.
    »Wünsch uns Glück«, sagte Kopernikus.
    »Ja, Schicksal, Glück und manchmal Pech.« Jordi konnte sich nicht einmal selbst erklären, wo diese Worte herkamen. Sie waren einfach da und sie fühlten sich an, als hätten sie die gleiche Farbe wie der glatte Stein, den er bei sich trug.
    »Halt dich fest.«
    Es ging los.
    Unsichtbare Flügel sirrten und surrten und dann schoss der Pájaro nach draußen und flog wie eine wild gewordene Libelle über das schier endlose Dünenmeer. Heißer Sand verwehte in der glühenden Sonne und die Fata Morganen erhoben sich vielerorts wie Fieberträume aus dem Treibsand, in dem unzählige seltsame Tiere lebten.
    Jordi blickte zurück und fragte sich, was Cortez und Kamino jetzt wohl dachten. Sie würden sehen, wie der Pájaro den Falken verließ und auf die fliegende Galeone zusteuerte.
    Das gewaltige Schiff kam mit dröhnenden Gebläsemaschinen näher. Es befanden sich Silberaugenmatrosen an Deck, die aufgeregt umherliefen und die Kanonen bereit machten. Dunkle Schlünde schoben sich aus dem dicken Bauch der Galeone hinaus und erste Schüsse zerrissen den Himmel über der Wüste.
    Kopernikus reagierte blitzschnell. Der Kolibri schlug Haken und Kapriolen in der Luft, sodass Jordi sich mit aller Kraft

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